Agil 4.0: Neustart für die Agilität (Teil 3)

Vom reinen Projektmanagement-Ansatz hat sich die agile Idee heute bis hin zu einem Konzept für organisationale Kulturentwicklung weiterentwickelt. Damit ist die Einführung der neuen Arbeitsweise sehr viel herausfordernder geworden – und manchmal scheitert sie auch. Doch das ist kein Grund, einen Abgesang auf Agilität anzustimmen. Im Gegenteil: Sie ist aus der Arbeitswelt der Zukunft nicht mehr wegzudenken. Deshalb brauchen agile Transformationen zum einen gute und ehrliche Begleitung durch Profis – und zum anderen vier hilfreiche Upgrades. Die ersten beiden stellen wir in diesem dritten Teil der Blogserie zu Next-Level-Agility vor.

Das Wort Agilität steht hinter dem Antrieb einer illustrierten Rakete

Teil 3: Wie sich Agilität agiler gestalten lässt

Schlecht gemachte Agilität (› Teil 1) und billige Ausreden (› Teil 2) liefern also selbst die besten Argumente dafür, ein postagiles Zeitalter einzuläuten. Das ist zwar traurig, ist im Grunde aber eine gute Nachricht. Denn sie spielt die Verantwortung zurück an diejenigen, die nach wie vor von der Idee überzeugt sind: Wir Profis für Agile Transformation haben es selbst in der Hand, den Begriff sozusagen aus dem Feuer zu holen, bevor er verbrennt. Und das gelingt am besten, indem wir Agilität aufs nächste Level heben. Wir brauchen Agilität mit Extras.

Dazu ist es zunächst sinnvoll, sich wieder auf den Kerngedanken zu besinnen: Demnach bedeutet Agilität nicht mehr und nicht weniger als wendige Beweglichkeit und damit die Fähigkeit im komplexen Umfeld anpassungsfähig wie ein Crossläufer voranzukommen. Und genau diese selbst gepriesene Anpassungsfähigkeit und Kundenzentrierung sollten auch gute Agilitäts-Coachs und -Beraterinnen an den Tag legen: Sie müssen maßgeschneiderte Konzepte liefern, die auf die Bedürfnisse der Auftraggebenden zugeschnitten sind – und zwar auch auf die, von denen die Kunden selbst noch gar nichts ahnen. 

Neustart für die Agilität, Veränderung, Claudia Thonet

Extra I: Tools plus Transparenz

Natürlich gehören zu einer agilen Transformation auch die Einführung agiler Tools und Frameworks. Stand-up-Meetings, Retrospektiven oder auch die Nutzung eines Kanban-Boards etwa, schaffen Anlässe im Arbeitsalltag immer wieder agile Methoden zu üben und das agile Mindset zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Sie einzuführen und dann die Teams mit ihnen alleinzulassen, ist allerdings keine gute Idee.

  • Im Idealfall legen Transformationsbegleiterinnen und -begleiter mit aufeinander abgestimmten Methoden und Strukturveränderungen im Unternehmen Spuren, auf denen Agilität über das Projektmanagement hinaus und in die Unternehmenskultur hineinwächst. Dazu gehört, auch über die tieferen Gründe und die weitreichenden Folgen einer Veränderung frühzeitig zu sprechen und den Menschen Zeit zu geben, mit den Neuerungen vertraut zu werden.

Im Flughafenbeispiel (› Teil 2) etwa wurden nach der Einführung von MS Teams, das die agile Zusammenarbeit erleichtern sollte, die alten Programme schnell und kommentarlos gelöscht. Das machte denjenigen Angst, die noch nicht mit der neuen Lösung zurechtkamen. Sie fühlten sich verloren und gerieten in Panik als sie realisieren, dass im neuen Tool jeder sehen kann, was sie tun und was nicht. Bei vielen führte dies zudem zu Trotz und Widerwillen und dazu, dass sie sich mehr oder weniger geheime Nebensysteme ausdachten und Workarounds bauten, um die plötzlich erschaffene Transparenz zu umgehen. Was niemand sehen sollte, wird auf dem lokalen Rechner gebunkert.

Kurz nach Einführung des Programms standen sich MS-Teams-Fans und MS-Teams-Hasser im Team gegenüber. Die Zusammenarbeit war schlechter als jemals. Die verpatzte Einführung des Programms muss mühsam nachgebessert werden, um die Verweigerer zu integrieren. Besser wäre es gewesen, die Einführung von Beginn an durch Kommunikations- und Teamtrainings, die das ganze Ausmaß der Veränderung transparent machen, zu begleiten.

Extra II: Fehlertoleranz plus Mutmachmachung

Zu Next-Level-Agilität gehört unbedingt eine mutige Lernkultur. Und um Mut zu entwickeln, brauchen Teams nicht nur die Erlaubnis, Fehler machen zu dürfen. Sie brauchen auch das Gefühl, dass das so gewollt ist und nicht unangenehm, von Fehlern zu berichten. Die US-Psychologin Amy Edmondson fand heraus, dass die besten Teams die meisten Fehler machen, weil sie diese berichten und nicht unter den Teppich kehren. Teams, die wirklich agil werden oder arbeiten sollen, brauchen ein Muttraining, um die Sicherheit zu entwickeln, tastsächlich neue Ideen auszuprobieren.

  • Die Transformationsbegleitung sollte deshalb vor allem zu Beginn agile Experimente vorschlagen und moderieren, bei denen das Scheitern keine allzu großen Gefahren birgt. Wichtig ist, dass erlebt wird, dass ein Projekt nicht so läuft, wie es soll. Scheitern schmerzt und ist unangenehm für jeden. Zu erleben, dass dieser Schmerz akzeptiert wird und das Wachstum, das daraus entsteht, sogar belohnt wird, hilft Teams, aufs nächste agile Level zu klettern. Erst recht, wenn nicht die Perfektion Vorrang hat, sondern auch schon in den unfertigen Ergebnisse der Mehrwert erkannt wird. Diese „Good-enough-to-try-Ergebnisse“ werden dann versuchsweise ausgerollt und dann nach und nach weiterentwickelt und optimiert.

Ausblick:

Im › vierten und letzten Teil der Serie gibt es noch zwei weitere Extras, mit denen sich agiles Management aufs nächste Level heben lässt – und dafür sorgen, dass Innovation gefördert und nicht ausgebremst wird.

Claudia Thonet

Gründerin/Geschäftsführerin
Expertin für agile Transformation/agile Führung und Teams


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