Agile Moderation: Wie du agile Methoden für effektive Moderationen einsetzt

Was ist überhaupt agile Moderation? Nur ein Modewort, bzw. eine neue Verpackung für den gleichen Inhalt wie vorher? Was bringen agile Methoden in Meetings und wie genau werden sie effektiv eingesetzt?

Das sind berechtigte und wichtige Fragestellungen für jeden, der in Meetings oder Workshops neue Methoden nutzen will: Agile Moderation? Was ist daran anders als an der herkömmlichen Moderation? Und ehrlich gesagt werden diese Fragen in der aktuellen Literatur meist nicht hinreichend beantwortet. Vielmehr wird wieder der alte Wein in neuen Schläuchen verkauft. Doch im agilen Toolset gibt es tatsächlich einen Fundus an hilfreichen Methoden und Werkzeugen, die auch in klassischen Kontexten helfen, Meetings transparenter und effektiver zu gestalten. Ein kleiner aber wirkungsvoller Auszug aus diesem Werkzeugset findest du in meinem Artikel, der in der Zeitschrift Training Aktuell veröffentlicht wurde:

Was ist das Ziel einer gelungenen Moderation in einem Team?

Wenn wir Trainer fragen würden, bekämen wir voraussichtlich folgende Antworten: Vertrauen aufbauen, unterschiedliche Perspektiven nutzen, Commitment herstellen, Orientierung geben, Transparenz schaffen, tragfähige Entscheidungen treffen und gegenseitige Verantwortlichkeit stärken. Wenn ich darüber reflektiere, wie viele Teamentwicklungen ich seit Jahrzehnten im 2-Jahres-Takt durchgeführt habe, bei denen ich genau diese Ziele mit den Teams verfolgt habe – dann komme ich zu dem Fazit, dass die Maßnahmen zwar sehr sinnvoll und förderlich für die Teams waren, mir jedoch die Nachhaltigkeit immer wieder Kopfzerbrechen bereitet hat.

Begleite ich heutzutage agile Teams, dann lege ich wesentlich mehr Fokus auf strukturelle Veränderungen, die das täglichen Miteinander und die Arbeitsweise des Teams verändern. Wenn sich ein Team dafür entscheidet, sich täglich über Bearbeitungsstände in einem 15-minütigen „Stand-up“ Meeting austauschen und mit dem „Kanban Board“ innovative Projekte bzw. seinen Workflow transparent zu machen – dann hat das eine nachhaltige Wirkung auf die Arbeitsweise und Effektivität des Teams. Die Strukturen der Kommunikation und Arbeitsweise sind ein entscheidender Schlüssel jeder gelungenen Transformation. Du kannst dir sonst lange und ausgiebig Gedanken machen, wie ihr mehr Transparenz und Austausch untereinander herstellen könnt – solange sich das nicht in den Strukturen und Routinen manifestiert, bleibt es bei guten Vorsätzen.

Wir Trainer und Berater können jede Menge Nützliches von agilen Strukturen lernen und die Erkenntnisse an unsere Kunden weitergeben bzw. die Methoden in unseren Moderationen erlebbar machen. In der Tabelle siehst du einige agilen Frameworks (Rahmenwerke) bzw. Methoden aus den Frameworks, die sich in Moderationen/Workshops bewährt haben:

 Kanban Borad für Agile Moderation

Formate/Methoden für agile Moderation:

Das Kanban Board

Genau zu erläutern, wie du als Berater Kanban in Teams einführst, sprengt hier den Rahmen. Ich will nur eine kurze Erläuterung geben und die Vorteile benennen:

Kanban kommt aus dem Lean Management und hatte sich schon in den 1970er-Jahren bei Toyota bewährt. Es eignet sich hervorragend für alle Bereiche, in denen Abläufe und Prozesse sichtbar gemacht werden können. Kanban richtig eingesetzt, erzeugt mehr Transparenz, Effizienz, klarere Zuständigkeiten, höhere Beteiligung, weniger „Sozial Loafing“ (Soziales Faulenzen in Teams) und eine bessere Kommunikation über Status und Hindernisse. Der Begriff kommt aus dem japanischen und bedeutet sinngemäß „Signal-Karte“. Bei Kanban geht es um die Visualisierung und Transparenz von Arbeitsprozessen. Das Team unterteilt dazu Aufgaben in kleine Pakete, schreibt diese auf Karten und verteilt eigenverantwortlich die Zuständigkeiten. Das Kanban Board zur Visualisierung wird in Spalten unterteilt, die den Wertschöpfungsprozess visualisieren. Je nach Tätigkeit des Teams werden die Spalten des Workflows beschriftet:

Beispiel A: Entwickler Team: Waiting – Analyse – Entwicklung – Test – Installation

Beispiel B: Service Team: Waiting – Bedarfsanalyse – Lösung – Feedback

Beispiel C: Verkauf: Waiting – Bedarf – Angebot – Abschluss – Feedback

Jede Karte wandert im Laufe des Workflows durch die Spalten. Jeder sieht, wo sich gerade welche Karte im Prozess befindet. Ziel ist es, die Lead Time, also die Zeit, die ein Arbeitspaket durch den Prozess wandert, zu verkürzen. Die Anzahl der Arbeiten, die pro Mitarbeiter im Doing sind, wird begrenzt (WIP Limit) um Überforderung und Ineffizienz vorzubeugen (siehe Abbildung Kanban).

  • Visualisiere den Arbeitsprozess (Prozess Flow), die einfachste Form ist die Dreiteilung.
  • Unterteile Arbeiten in Teilpakete und schreibe diese auf Karten (Post It, Sticky Note …).
  • Visualisiere dieses auf einem Board (White Board, Folie, Metaplanwand…).
  • Zeige, wo sich jedes Teilpaket im Workflow befindet.
  • Beschränke die Arbeitsauslastung (Work in Progress Limits).
  • Messe die Durchlaufzeit (so kurz und vorhersehbar wie möglich).
  • Pull Prinzip: Jeder zieht sich eigenverantwortlich Arbeitspakete.

Leider sehe ich immer wieder eingestaubte Boards in einigen Unternehmen. Das richtet dann mehr Schaden als Nutzen an. Meist werden nach den ersten Hindernissen die Boards fallen gelassen oder so schnell angepasst, dass sie den Effekt verlieren. Denn den wirklichen Nutzen konnten die Teams nie erfahren. Viele Teams, aber auch Trainer, machen den nachvollziehbaren Fehler neue Methoden zu früh anzupassen. Schon beim ersten Widerstand oder Hindernis wird die Methode adaptiert. Prinzipiell ist Anpassung natürlich absolut zielführend und sinnvoll– doch der Zeitpunkt muss stimmen. Wenn wir Methoden direkt verändern, dann geben wir ihr keine Chance ihre Wirkung zu entfalten und neue Erfahrungen zu ermöglichen. Beim zu frühen Adaptieren landen wir im Endeffekt wieder beim alten Wein in neuen Schläuchen.

Anleitung für ein einfaches Kanban Board für agile Moderation in Workshops oder Meetings

Kanban lässt sich als Methode sehr schön zur Themenbearbeitung anstelle der üblichen Agenda nutzen. Ich visualisiere mit einem Board die geplanten Themen und priorisiere diese gemeinsam mit den Teilnehmern (siehe Abbildung 1 und 2). Die Themen wandern dann im Laufe der Moderation durch den Prozess bis sie für die Teilnehmer abgeschlossen sind.

  • Zeiche auf einem Whiteboard/Flipchart/Folie drei Spalten mit den Überschriften:
    • To Do
    • In Progress (oder Doing)
    • Transfer / Validierung
    • Done / Erledigt
  • Visualisiere die geplanten Themen auf Karten (große Post It´s, Karten, Stutties…)
  • Optimal ist es, die Themen als Userstory zu beschreiben:
    Anstelle des Themas „Agiles Manifest“, schreiben Sie den Nutzen für den User (= Teilnehmer) auf die Themenkarte: „Jeder kennt das agile Manifest und versteht dessen Bedeutung“
  • Die Themen kommen in die To Do-Spalte
  • Anschließend wählen die Teilnehmer die Relevanz beispielsweise anhand folgender Kriterien:
    • Must have = Das Thema muss behandelt werden
    • Should have = Das Thema sollte behandelt werden
    • Could have = Das Thema könnte behandelt werden
  • Die Themen in der To Do-Spalte werden entsprechend der gewählten Relevanz umsortiert (die „Must have“-Themen zuerst, dann die „Should have“-Themen und zum Schluss die „Could have“-Themen)

DAILY Meetings

Dailies sind tägliche Kurzmeetings, an denen das Team gemeinsam am Kanban Board arbeitet. Ziel ist der Austausch über Bearbeitungsstände und eventuell aufgetretene Hindernisse.

  • Das Team nimmt sich jeden Tag zur gleichen Zeit und am gleichen Ort im Stehen 15 Minuten Zeit, in denen jeder gleichermaßen zu Wort kommt.
  • Die Fragen sind visualisiert auf einer Flipchart oder einem Board für jeden ersichtlich.
  • Das Timeboxing wird strikt eingehalten, jeder hat je nach Teamgröße 60-90 Sekunden Zeit, die Fragen zu beantworten. (Ich verwende dazu gerne eine kleine Sanduhr mit 60 bzw. 90 Sekunden – dann sieht jeder genau wie er seine Zeit einteilen kann).
  • Keiner darf sich enthalten oder dem Vorredner anschließen – jeder teilt sich gleichermaßen mit.
  • Die Hindernisse und Needs werden im Daily nicht gelöst, sondern nur geäußert.
  • Der Moderator/Coach/Teamleiter sorgt im Anschluss für die Beseitigung der Hindernisse und Erfüllung der Needs.
  • Die abgeschlossenen Aufgaben werden an dem Board ins „Done“ geschoben.
  • Die neuen Aufgaben werden gezogen und ins Doing/In Progress gehängt mit dem Namen des jeweils Zuständigen.
  • Jeder zieht (PULL) Aufgaben (es werden keine Aufgaben zugewiesen).
Einlogen für Agile Moderation

Beispielfragen für Dailies:

  1. Wie geht es mir heute (ein Wort sagen oder eine Gefühlskarte ziehen)?
  2. Was habe ich gestern bearbeiten/abschließen können?
  3. Welche Hindernisse sind aufgetreten?
  4. Was werde ich heute umsetzen?
  5. Was brauche ich dazu?

Abgewandeltes Daily für den Einsatz in Workshops/Seminaren

„Walk what you talk“. Wenn du als Trainer einem Team sogenannte Dailies empfehlen möchtest, also kurze Meetings im Stehen, an denen das Team sich über die Bearbeitungsstände und Hindernisse austauscht, dann tust du das am besten, indem du die Struktur in der eigenen Moderation einsetzt. Agile Moderation könnte also folgendermaßen beginnen – je nach Teilnehmeranzahl bekommt jeder eine Minute Zeit, folgende Fragen zu beantworten:

  1. Wie geht es mir heute?
    Anmerkungen: Hierzu eignen sich Gefühlsmonster-Karten oder einfache Emoticons oder Ein-Wort-Sätze. Wichtig ist, den Zustand nicht zu erläutern oder zu rechtfertigen, sondern als reine Info zu betrachten
  2. Welche Herausforderungen habe ich in letzter Zeit gemeistert?
    Anmerkungen: Das kann je nach Workshop-Thema angepasst werden. Den Blick auf das Meistern von Herausforderungen zu lenken, hat in der Regel einen stärkenden Effekt.
  3. Was ist mir persönlich wichtig?
    Anmerkungen: Die Relevanz der Moderations-Themen frage ich zu einem anderen Zeitpunkt ab. Hier geht es rein um persönliche Wünsche, außerhalb der Themen.
Claudia Thonet, Agile Consulting, Portrait

Claudia Thonet

Gründerin/Geschäftsführerin
Expertin für agile Transformation/agile Führung und Teams


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