Agile Teams: Coaching von High Performing Teams

Herausforderungen agiler Teams

In den letzten Jahren steigt in Unternehmen die Nachfrage nach Teamcoaching, um agile Teams oder auch  „High Performing“-Teams zu etablieren. Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Die stetigen Transformation-Prozesse verlangen hohe Veränderungs- und Anpassungsleistungen von agilen Teams.
  • Resilienz (Wachsen und Gedeihen trotz widriger Umstände) ist immer wichtiger und zählt zu den besonderen Fähigkeiten von „High Performing“ Teams.
  • Die wachsenden Leistungsanforderungen und Wachstumsziele in Unternehmen sollen von Spitzenteams sogar noch übertroffen werden.
  • Die steigende Fluktuation vor allem von Fach- und Führungskräften u.a. durch die Wechselbereitschaft zugunsten der eigenen Karriere, sorgt durch die daraus resultierenden personellen Veränderungen für das Sinken des natürlich wachsenden „Wir-Gefühls“. Dem soll durch Teamcoaching entgegengewirkt werden.
  • Erstaunlicherweise schwächen sogar die flacher werdenden Hierarchien das Gemeinschaftsgefühl durch unklarere Zugehörigkeiten und Ordnung. „Hierarchie ordnet den festen Platz in der Gruppe, wodurch diese als Ganzes stabilisiert wird“, sagt der französische Soziologe und Ethnologe Georges Balandier, „fallen diese Strukturen weg, steigt die Komplexität des Beziehungssystems und die Gruppenidentität sinkt“.

Agile Teams und das „Wir-Gefühl“

Genau dieses „Wir-Gefühl“ ist allerdings gerade wichtig, um komplexe Leistungsanforderungen im agilen Wandel aufrecht zu erhalten und wettbewerbs- und anpassungsfähig zu bleiben. Gut entwickelte agile Teams mit einer starken Gemeinschaftskultur sind im Vergleich resilienter, leistungsfähiger und stressresistenter. Die Neurowissenschaft hat nachgewiesen, dass positive Bindungen das Belohnungszentrum aktivieren, in dem dann Endorphine produziert werden, die nicht nur glücklich machen, sondern auch das Stressempfinden reduzieren.

Team- und Gruppencoaching hat unter anderem die Aufgabe dieses „Wir-Gefühl“ wieder herzustellen bzw. zu stabilisieren. Neben der Führungskraft als Coach ihres Teams ist es sinnvoll in regelmäßigen Abständen einen neutralen, erfahrenen Teamcoach als Moderator einzusetzen. Er/Sie schafft durch die Aufmerksamkeit auf das Wir, die Aufgaben und das Individuum einen Rahmen, innerhalb dessen das Team die nächsten Entwicklungsschritte gehen kann.

Gruppen und Teams werden unterschiedlich definiert. In der Führung und im Coaching ist es wichtig, die unterschiedlichen Dynamiken und Verhaltensweisen von Gruppen und Teams zu kennen, in der Entwicklung zu beachten und entsprechend zu fördern:

  • Gruppen zeichnen sich durch ein gut organisiertes Nebeneinander der Gruppenmitglieder aus. Jeder braucht klare Einzelziele und Verantwortungsbereiche, die von der Führungskraft entsprechend delegiert und kontrolliert werden.
  • Teams haben ein Teamziel, dessen Wertigkeit höher ist als die Einzelleistung. Sie arbeiten kooperativ wie ein Organismus zusammen. Jeder kennt seine Aufgaben und vernetzt sie effizient mit den Anderen. Die Führungskraft fordert und fördert ihr Team und sorgt für regelmäßige Reflexion.
  • Agile Teams arbeiten selbstorganisiert, haben höhere Entscheidungskompetenzen als übeliche Teams und bestehen aus interdisziplinären Teammitgliedern.

Ich werde zur Vereinfachung in diesem Blog von Teams und Teamcoaching sprechen, wobei das Beschriebene in angepasster Form auch für Gruppen und Gruppencoaching übertragen werden kann.

Was kann der Teamcoach leisten?

Je nach Ausgangssituation und Entwicklungsstand des Teams kann der Coach in Zusammenarbeit mit der Führung unterschiedliche Anliegen und Ziele moderieren. Dazu ist eine genaue Bedarfsanalyse und Auftragsklärung mit der Führung und mit dem Team erforderlich.

Der Teamcoach

  • hilft durch seine neutrale Position in der Moderation die Ressourcen des Teams bewusst und nutzbar zu machen.
  • unterstützt das Team darin, sinnvolle Vereinbarungen zur konstruktiven und effizienten Zusammenarbeit zu treffen.
  • lenkt zu konsequentem Lösungsdenken. Konflikte und Probleme werden als Lernaufgaben betrachtet und gelöst.
  • unterstützt das Team in pro-aktivem Handeln. Ziele und Visionen des Unternehmens werden mit den Zielen der einzelnen Teammitglieder verknüpft.
  • hilft gegenseitige Erwartungen und Führungserwartungen zu klären damit Vertrauen und Offenheit untereinander entstehen kann.
  • vermittelt bei Konflikten und hilft durch die Sichtbarmachung der individuellen Verhaltensprofile (z.B: Riemann Thomann, DISG, MBTI) mehr Verständnis füreinander zu entwickeln.
  • hilft die individuellen und gemeinsamen Werte als innere Motivatoren bewusst zu machen und im Arbeitsalltag zu verwirklichen beziehungsweise danach zu handeln.
  • regt Prozessoptimierung und Aufgabenverteilung nach den Fähigkeiten und Potenzialen der Einzelnen an. Dazu ist es hilfreich, wenn der Coach die Prozesse und Aufgaben kennt und Branchenkenntnis aufweist.

Der Coach fordert und fördert das Team darin, sich in allen fünf Leistungsprinzipien, die ein „High Performing“ oder ein agiles Team auszeichnen, zu reflektieren und weiter zu entwickeln.

Agile Teams aus ökonomischer Perspektive

„High Perfoming“-Teams sind aus ökonomischer Sicht für Unternehmen sehr attraktiv. Im Idealfall geht man davon aus, dass sich Leistungen der Einzelnen nicht nur addieren sondern sogar potenzieren können. Außerdem sind solche Spitzenteams in der Lage, sich selbst zu organisieren und voneinander zu lernen. Sie haben mehr Freude an der Arbeit und sind nachweislich wesentlich stressresistenter. Die Identifikation ist stärker und jeder ist gerne bereit, in angemessenem Maße Mehrarbeit zu leisten. Stärken werden gestärkt und Schwächen kompensiert.

Kritiker sprechen zu Recht bei der inflationären Einführung von Teams statt Gruppen auch von der gegenteiligen Variante. TEAM heißt dann „Toll, Ein Anderer Macht’s“ – ein von der Wissenschaft als „Social Loafing“ benanntes Phänomen. Dabei ruht sich der Einzelne in der Gemeinschaft aus. Beim Tauziehen zum Beispiel zieht ein Einzelner in der Regel mehr Kilo, als wenn er mit mehreren gemeinsam zieht. So kann es durchaus passieren, dass Teams ohne Sinn und Verstand eingesetzt werden, um die Führungsspanne größer zu machen und auf die Selbstorganisation des Teams zu hoffen. Ohne eine professionelle Entwicklung zu einem echten Team wird daraus sehr bald ein Pseudoteam, in dem sich jeder zurückzieht und sich mit halber Kraft einsetzt. Denn keiner will Schuld sein, wenn etwas schlecht läuft oder Misserfolge drohen.

Ein echtes Team braucht in der Anfangszeit sehr viel Führung und Coaching, um nach der ersten Phase des Zusammenfindens und Kennenlernens (Forming) und der zweiten Entwicklungsstufe der Auseinandersetzung und Positionierung (Storming) dann auch wirkliche Teamwerte und eigenen Normen und Strukturen zu erschaffen und die leistungsstarke Performing Phase zu erreichen. Nach erfolgreicher Reifung und regelmäßiger Reflexion kann sich das Team dann zum High Performing Team mausern. Die nächste Stufe ist das agile Team, welches selbstorganisiert entscheidet und handelt. Damit diese Entwicklung stattfinden kann, ist es wichtig, fortlaufend zu reflektieren, Erfolge zu feiern und sich an Höchstleistungen anderer zu messen. Das Gesamtergebnis muss dabei immer klar von jedem Einzelnen abhängen. Individuelle Beiträge müssen erkennbar und unersetzlich sein. Auch der Wettbewerb mit anderen Vergleichsgruppen regt die Leistung an. Diese Investition in gute Führung und Coaching zahlt sich dann mehrfach aus.

Ein echtes Spitzenteam/ agiles Team

  • erhöht die Leistungsfähigkeit jedes Einzelnen und ist somit äußerst leistungsstark.
  • lernt voneinander und entwickelt sich stetig weiter.
  • schafft hohe Identifikation und Leistungsbereitschaft.
  • kreiert neue Ideen und setzt diese zielstrebig um.
  • handelt lösungsorientiert und im pro-aktivem Sinne der Unternehmensziele.
  • hat eine hohe Anpassungsleistung und Resilienz gegenüber Wandel.
  • hat Spaß und Freude und ist stressresistent.

Agile Teams und die Risiken beim Coaching

Erfahrene externe Teamcoaches sind eine Investition des Unternehmens. Als Teamcoaches werden fast ausschließlich externe Anbieter gebucht. Denn bei einem Teamcoaching ist die externe, neutrale Sicht gerade in Hinblick auf eventuell notwendige Konfliktvermittlung oder das Erkennen und Bearbeiten systemischer Störungen eine Voraussetzung für den Erfolg. So wirkungsvoll ein Teamcoaching sein kann (und manchmal schon zwei Tage Teamworkshop mit einem Nachhaltungstag ausreichend für Entwicklungsschritte sein können), so kann sich die Wirkung bei unerfahrenen Coaches auch ins Gegenteil umkehren.

Gefahren bei unerfahrenen Coaches oder unklaren Teamcoaching-­Aufträgen

  • Immunisierung des Teams gegenüber Teamcoaching: Wenn Vereinbarungen getroffen werden, die nicht eingehalten und nachgehalten werden, entsteht bei dem Teams eine Abwehrhaltung oder Ignoranz gegenüber weiteren Coaching-Maßnahmen.
  • Konflikte eskalieren, weil aus diversen Gründen keine Vermittlung funktioniert.
  • Das Team nutz die Maßnahme, um sich über schlechte Rahmenbedingungen und Probleme des Unternehmens zu beschweren und steigert sich in Opfer-­ und Ohnmachtshaltung hinein.
  • Eine schwache Teamleitung delegiert eigene Defizite an den Coach und schwächt ihre Führungsrolle damit noch mehr.
  • Aufgaben und Prozesse werden neu strukturiert, passen aber nicht zu der Realität des Teams.
  • Eine oberflächliche Motivationsveranstaltung und Selbstinszenierungen des Coaches, was im Nachhinein keine positive und nachhaltige Wirkung zeigt.

Teamcoaching kann keine fachlichen Defizite des Teams ausgleichen. Auch eine schwache oder unerfahrene Teamführung, die das Team nicht angemessen der Entwicklung fördert und fordert, wird durch Teamcoaching nicht kompensiert. Genauso wenig können schlechte Rahmenbedingungen wie Personalmangel, Wettbewerbsschwierigkeiten, systemische Störungen oder ähnliches beeinflusst werden. Auch eine zu heterogene Zusammensetzung des Teams mit fehlender Teamfähigkeit Einzelner verhindert die Entwicklung zum echten Spitzenteam.

Der Teamcoach sollte in der Auftragsklärung und Bedarfsanalyse die Rahmenbedingungen erfragen und wenn möglich das Team im Arbeitsalltag erleben. Außerdem ist eine anonyme Befragung aller Beteiligten zum Ist- und Soll-­Zustand des Teams hinsichtlich der 5 Leistungsprinzipien (siehe Grafik oben) hilfreich.

Hilfreiche Kompetenzen des Teamcoachs

  • Auftragsklärung und Bedarfsanalyse bei Teams und Gruppen
  • Prozessorientierte Moderation
  • Konfliktvermittlung
  • Kenntnis von Verhaltenstypologien und Ihren Interaktionen
  • Wissen über systemische Gesetzmäßigkeiten wie Zugehörigkeit, Ordnung und Ausgleich
  • Branchenkenntnis.

Agile Teams und Störungen/Konflikte

Oft wird die Personalabteilung erst beauftragt einen Teamcoach zu suchen, wenn ein Team in seiner Leistung einbricht, Konflikte eskalieren oder die Fluktuation bzw. Krankenstände drastisch ansteigen.

Die folgenden fünf Störfelder sind die häufigsten Gründe für Unternehmen ein Teamcoaching zu veranlassen:

Sinnvoller ist es, das Teamcoaching als regelmäßige Maßnahme sowohl für erfolgreiche wie auch weniger erfolgreiche Teams zu etablieren und das jeweilige Team in seiner aktuellen Entwicklungsstufe und Herausforderung zu begleiten. Dazu sind auch die Teamleiter in der Rolle als Coach ihres Teams gefragt. Es ist wichtig, dass die Führungskräfte die Dynamiken von Teams und Gruppen kennen. Nur wenn die Führung die Ergebnisse und Erkenntnisse aus dem Teamcoaching nachhält, werden gewünschte Erfolge erzielt.

Die Personalabteilung hat die Aufgabe, die Unternehmensbereiche zu beraten, ob die Einführung von Gruppen- oder von Teamstrukturen für den jeweiligen Bereich sinnvoll ist. Auch die Weiterbildung der Führungskräfte im Bereich Gruppen- und Teamdynamiken sollte ein wichtiger Baustein in der Führungsentwicklung sein. Für ein etabliertes agiles Team ist es unserer Erfahrung nach sinnvoll, alle ein bis zwei Jahre ein zweitägiges Teamcoaching mit externer Moderation und jeweils einem Nachhaltungstag nach drei bis sechs Monaten zu etablieren.

Bei Störungen (siehe Störfelder) sind Teamcoachings in kürzeren Abständen erforderlich. Je nach Zustand des Teams können auch Einzelgespräche des Coaches mit jedem Teammitglied im Vorfeld der Maßnahme erforderlich sein. Um die Erfolge zu messen, ist eine regelmäßige, anonyme Befragung des Teams nach Ist- und Sollkriterien wichtig. Die konkrete Zieldefinition für das Coaching und ein offener Feedbackprozess helfen, die Effekte des Coachings transparent zu machen.

Claudia Thonet, Agile Consulting, Portrait

Claudia Thonet

Gründerin/Geschäftsführerin
Expertin für agile Transformation/agile Führung und Teams


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