Agiles Arbeiten: Was wir von agilen Teams über effektive Zusammenarbeit lernen können
Ja, das allgegenwärtige Gerede vom agilen Arbeiten nervt manchmal. Trotzdem sollten alle, die effektiv im Team arbeiten wollen, den Ansatz noch einmal genauer anschauen. Denn agile Teams wissen einfach, wie gute Zusammenarbeit gelingt.
Ist der Hype vorbei? Während noch vor einigen Jahren gefühlt alle „anders“ arbeiten wollten, fordert nun z.B. SAP-Chef Christian Klein in der Süddeutschen Zeitung eine Rückkehr zur „harten Hierarchie“, ein aktuelles Buch fragt nach dem Ende der Neuen Arbeit („Schluss mit lustig?“) und wer irgendwas mit agil erwähnt, stößt in vielen Unternehmen inzwischen auf genervtes Augenrollen: Die Wahrscheinlichkeit ist inzwischen groß, dass dort schon das eine oder andere agile Experiment gescheitert ist.
Agiles Arbeiten: Ist der Hype vorbei?
Also ja, vielleicht ist der Hype vorbei. Und das ist gut so! Denn das bedeutet hoffentlich auch, dass Konzepte wie New Work und Agilität endlich von den überzogenen Heilerwartungen befreit werden und als trendbedingte schnelle Lösungen nicht mehr gefragt sind. Dass agiles Arbeiten also nicht mehr als Wundermittel gehandelt wird, sondern als das, was es schon immer war: ein guter Ansatz, um Teamarbeit effizient zu gestalten.
Und effektive Teamarbeit ist notwendiger denn je in einer Welt, die immer mehr Beweglichkeit von uns fordert: Projekte werden immer komplexer, Prioritäten verschieben sich schneller, Aufgaben sind unübersichtlicher und allein lassen sich die Herausforderungen von niemandem mehr lösen. Agil zu arbeiten, ist eine gute Möglichkeit, um unter solchen Bedingungen zu bestehen. Denn der Ansatz wurde genau dafür entwickelt: um eine zielgerichtete, effiziente Teamarbeit auch in dynamischen, unsicheren und komplexen Zusammenhängen möglich zu machen.
Was versteht man unter agilem Arbeiten?
Die Grundidee dazu wurde schon 2001 im Manifest für agile Softwareentwicklung niedergeschrieben. Die Autoren, 17 IT-Entwickler, hatten festgestellt, dass es oft schwierig war, nach nur einem Briefing für die Kunden zufriedenstellende Software-Produkte abzuliefern. Meist waren diese enttäuscht, weil sich ihre Erwartungen inzwischen geändert hatten, weil sie wichtige Sonderfälle vergessen hatten oder auch, weil sie einfach etwas anderes gemeint hatten. Um das zu ändern, entwickelten die 17 Ingenieure das agile Manifest.
In diesem Manifest hielten die Entwickler 4 Leitsätze und 12 Prinzipien für eine effektive Teamarbeit im Sinne des Kunden fest. Die wichtigsten davon sind ein starker Fokus auf die beteiligten Individuen und die Interaktion zwischen ihnen sowie eine große Flexibilität im Umgang mit Kundenwünschen und Veränderungen. Weniger wichtig sind dieser Definition des agilen Arbeitens zufolge das Einhalten von Standards, Regelabläufen oder Formalitäten.
Was ist der Unterschied zwischen agilem und klassischem Projektmanagement?
Einfach erklärt unterscheidet sich agiles Projektmanagement vom klassischen vor allem durch die grundlegende Herangehensweise:
- Im klassischen Projektmanagement steht am Beginn des Projekts eine detaillierte Planung. Es gibt ein festes Budget, einen festen Zeitplan und in der Regel sind auch eindeutige Ziele und Zwischenziele sowie ein klarer, linearer Ablaufplan, um dorthin zu gelangen, vorgegeben. Die Verantwortlichkeiten sind hierarchisch verteilt, notwendige Planänderungen müssen formell genehmigt werden. Das Ergebnis wird am Ende geliefert, und zwar möglichst komplett und so, wie zu Beginn vereinbart.
- Agil zu arbeiten bedeutet dagegen, in Iterationen vorzugehen: Statt die Produktentwicklung durchzuplanen, wird nach einem Briefing mit Kunden erst einmal ein Prototyp entworfen. Dieses Zwischenergebnis wird vorgestellt und mit den Rückmeldungen von Nutzer- und Kundenseite in weiteren Sprints weiterentwickelt. Es gibt also immer wieder Feedbackschleifen, durch die das Produkt auf die Kundenerwartungen hin optimiert wird. Gleichzeitig können so auch schnell neue Prioritäten oder veränderte Anforderungen eingearbeitet werden.
Agiles Arbeiten: Welche drei Merkmale stehen für agiles Projektmanagement?
Während das klassische Projektmanagement bei Routine-Projekten gut funktioniert, ist das agile Arbeiten vor allem bei kreativen, innovativen Projekten das richtige Vorgehen. Insbesondere drei Merkmale kennzeichnen diese Art zu Arbeiten – und genau diese Merkmale zeichnen im Grunde auch fast jede gute und effektive Teamarbeit aus:
- Agiles Arbeiten ist flexibel und anpassungsfähig:
Ein Grundsatz des agilen Manifest ist es, Veränderungen willkommen zu heißen. Das bedeutet, dass geänderte Erwartungen auch in späteren Entwicklungsphasen noch einfließen und verarbeitet werden können, um ein optimales Produkt zu erreichen. Agile Methoden und Prozesse machen dies besonders gut möglich.- Das gleiche gilt aber auch für eine effektive Teamarbeit in anderen Kontexten: Wenn sie gut zusammenarbeiten, finden Teammitglieder immer Foren und Wege, um Veränderungen zu diskutieren und zu verarbeiten. Es bleibt ihnen in einer dynamischen Arbeitswelt gar nichts anderes übrig.
- Agiles Arbeiten ist iterativ und inkrementell:
Agile Projekte werden in kurzen Iterationen – auch „Sprints“ genannt – bearbeitet. Teilergebnisse werden in kurzen Abständen vorgestellt, Feedback wird eingeholt und im nächsten Sprint verarbeitet. So ist eine kontinuierliche Verbesserung des Produkts möglich.- Nicht-agile Teams, die erfolgreich arbeiten, gehen oft ähnlich vor: Sie probieren Neues, stellen Zwischenergebnisse zur Diskussion, holen sich Feedback ein, bügeln, falls nötig, Fehler aus und werden so immer besser.
- Agiles Arbeiten ist kundenfokussiert:
Die Zufriedenheit des Auftraggebenden hat hier höchste Priorität. Um sie zu erreichen, wird viel und möglichst klar kommuniziert, Zusammenarbeit und Kommunikationswege innerhalb und außerhalb des Teams ist eng und effizient geregelt.- Diesen Fokus haben im Grunde alle guten Teams, die effektiv zusammenarbeiten. Denn am Ende entscheiden Kunde oder Kundin darüber, was ein gutes Ergebnis ist. Der einzige Unterschied: In den agilen Methoden und Prozesse ist der Kundenfokus meist systematisch eingebaut.
Agile Teams wissen, wie effektive Zusammenarbeit gelingt
Agiles Arbeiten bedeutet also das Gegenteil von starren Routinen und dem Abspulen von Automatismen: Wer agil arbeitet, denkt mit und entscheidet situativ, welche Reaktion auf eine veränderte Anforderung angemessen ist. So viel Flexibilität und Eigenverantwortung bergen allerdings immer auch die Gefahr, dass Verwirrung oder gar Mehrarbeit entsteht. Agile Teams wissen das.
Damit effektive Teamarbeit entsteht, gibt es deshalb in agilen Teams viel Abstimmung und viele Absprachen. Denn natürlich heißt agil zu arbeitennicht, dass alle tun, was ihnen gefällt. Agile Frameworks wie Scrum setzen dafür den großen Rahmen. Sie geben eine Struktur vor, die bestimmt, wie lange z.B. ein Sprint ist, wie Zwischenergebnisse präsentiert werden und wo die Beteiligten sich über die Zusammenarbeit austauschen. Weitere Beispiele für agile Konzepte sind Frameworks wie Kanban, Large Scale Scrumm (LeSS) oder das Scaled Agile Framework SAFe.
Im Rahmen dieser Konzepte greifen zahlreiche agile Methoden und Formate für effektive Meetings ineinander, wie zum Beispiel Kanban-Boards, Stand-ups oder Retros. Sie helfen konkret dabei, die Absprachen, die Verteilung der Verantwortung und insgesamt die Teamarbeit effizient zu gestalten.
Übersicht Agiler Methoden in der Interaktiven Grafik
Also: Was genau ist agiles Arbeiten – und warum ist es für gute Teams interessant?
Einfach erklärt steht Agilität im Grund für nichts anderes als für die effiziente Durchführung von komplexen Projekten. Da Projekte selten allein durchgeführt werden, sondern in der Regel in Teams, steht der Begriff damit auch für die gute, effektive Teamarbeit, die dafür nötig ist.
Agiles Arbeiten im Team bedeutet dabei vor allem gute Kommunikation auf Augenhöhe, eine klare Verteilung von Verantwortungen, Transparenz und engagierte Eigeninitiative der einzelnen Mitglieder.
Damit unterscheidet sich agiles Arbeiten nicht grundlegend von jeder anderen ko-kreativen, ko-operativen Teamarbeiten in einem Kontext, in dem Flexibilität, Eigenverantwortung und Effizienz großgeschrieben werden. Größer jedenfalls als starre Strukturen, lange Entscheidungswege und große Egos von vermeintlich allwissenden Führungsfiguren.
Teams, die all dem schon abgeschworen haben, brauchen also erst einmal gar keine große agile Transformation, um effizient und produktiv zusammenzuarbeiten. Ihnen werden schon einzelne agile Methoden zu einer effektiveren Teamarbeit verhelfen. Denn fast alle Formate lassen sich auch erst einmal punktuell einsetzen. Wie das konkret aussehen kann, wollen wir hier in lockerer Folge vorstellen.
Weiterführende Links:
- Die wichtigsten agilen Arbeitsmethoden und Kommunikationsstrukturen, die effektive Zusammenarbeit erleichtern, stelle ich in diesem Kompaktkurs vor:
Kompaktkurse Agile Methoden und Meetings