Besser zusammenarbeiten – 5 Tipps für Facilitation

Die Deadline rückt unerbittlich näher, das Budget ist schmaler geworden, die Kunden haben plötzlich andere Vorstellungen: Gründe, warum eine gute Zusammenarbeit ins Straucheln geraten kann, gibt es viele. Dann häufen sich die Missverständnisse, Mitglieder scheuen sich, Verantwortung zu übernehmen, und selbst die schlausten Köpfe haben keinen Ideen mehr – kurz: das Potenzial des Team bleibt ungenutzt.

Facilitation ist die Kunst, das volle Potenzial eines Teams freizusetzen.

Selbst die besten Teams können nicht immer aus eigener Kraft ihr wahres Potenzial ausschöpfen. Sie brauchen Hilfe, um Hindernisse überwinden und noch besser zusammenarbeiten zu können. Deshalb gibt es in agilen Teams Coachs, die durch Facilitation das Zusammenspiel leichter machen sollen. Wo sie ansetzen, ist auch für Teams, die (noch) nicht agil zusammenarbeiten, interessant. Denn auch sie können sich durch die richtige Begleitung  die Zusammenarbeit erleichtern. 

Wenn kein agiler Coach zur Verfügung steht, können auch engagierte Teammitglieder unterstützend agieren und hier und da passende Interventionen nutzen. Dabei ist wichtig, dass sie keine disziplinarische Führungsverantwortung haben, sondern auf Augenhöhe agieren. Anderenfalls hätten sie nämlich nicht die Neutralität und Glaubwürdigkeit, wirklich nur im Sinne der besseren Zusammenarbeit zu handeln.

Facilitation - Claudia Thonet

Tipp 1: Besser zusammen reflektieren!

Um sich stetig weiterzuentwickeln und mit- und voneinander zu lernen, treffen sich agile Team in regelmäßigen Abständen in so genannten Retrospektiven. Diese Team-Meetings zielen darauf ab, gemeinsam den zurückliegenden Arbeitsabschnitt zu reflektieren und die Teamdynamik, die Kommunikation untereinander und die Effektivität des Zusammenspiels zu betrachten. Die Leitfrage dabei ist immer: Wie können wir noch besser zusammenarbeiten?

Retrospektiven sind für agile Coachs eins der wichtigsten Instrumente zur Selbstentwicklung von Teams. Als Meetingformat und Rahmen für die Identifizierung von Verbesserungsmöglichkeiten können sie aber auch in Teams, die noch nicht agil arbeiten, zum Einsatz kommen.

  • Das geht sogar mit einer spielerischen Note – zum Beispiel mit der Toffifee-Retro. In diesem Format fragt man beim nächsten Teammeeting im Rückblick auf die vergangene Arbeitsphase ab:
    • Was war süß wie Schokolade? Also was lief super, welche Stärken konnten wir zeigen? Welche Kompetenzen haben uns dabei geholfen?
    • Welche Nuss mussten wir knacken? Also: Welche Herausforderungen und Hindernisse sind aufgetaucht?
    • Was ist kleben geblieben? Was haben wir gelernt? Was hat uns zusammengehalten?

Die Ergebnisse, die zum Beispiel auf einem Flipchart festgehalten werden, sind eine gute Basis, um gemeinsam zu überlegen, wie sich die eigene Zusammenarbeit noch besser gestalten ließe.

Faciilitation - Claudia Thonet

Tipp 2: Besser zusammen entscheiden! 

Beim klassischen Mehrheitsentscheid wird einfach abgestimmt. Das ist vertraut, einfach und geht sehr schnell. Der große Nachteil ist allerdings, dass Einwände einfach stehen bleiben und sich die, die nicht einverstanden sind, einfach überstimmt fühlen. Das trägt selten dazu bei, dass Teams besser zusammenarbeiten. Eine Alternative ist der Konsens, bei dem alle so lange diskutieren, bis sie eine Lösung finden, die von allen getragen und auch umgesetzt wird. Nachteil: Das dauert in der Regel sehr, sehr lange. 

Eine Moderatorin, die das Potenzial ihres Teams heben will, kann deshalb eine alternative Entscheidungsfindung anregen. Eine Möglichkeit dafür ist der Konsent, bei dem die Entscheidung in fünf Etappen fällt:

  • Entscheidungsvorschlag erklären: Der Initiator erklärt, was entschieden werden soll und warum, sowie, welches Ziel mit der Entscheidung verfolgt wird.
  • Meinungsbildende Runde: Die Moderatorin klärt, ob alle entscheidungsrelevanten Informationen vorliegen. Dazu kommen allen reihum zu Wort und können Verständnisfragen stellen. Hier findet keine Meinungsäußerung oder Diskussion statt.
  • Erste Meinungsrunde: Sind alle Fragen beantwortet, äußert jedes Teammitglied eine Meinung. Das Rundenprinzip verhindert hitzige Diskussionen, da alle nacheinander zu Wort kommen. Die Moderatorin kann währenddessen wichtige Aspekte auf einem Flipchart notieren.
  • Gemeinsame Lösungserarbeitung: Der Initiator hat nun die Möglichkeit, den ursprünglichen Vorschlag beizubehalten, anzupassen, um Einwände zu integrieren, oder auch seinen Vorschlag zurückzuziehen. Der Vorschlag sollte für alle stimmig schriftlich ausformuliert werden. 
  • Konsentrunde: Nun wird abgestimmt. Dazu fragt die Moderatorin das Votum per Handzeichen „Fist of Five” ab: Alle heben ihre Hand und zeigen dabei ihre Meinung zur Entscheidung:
    • 5 Finger: Ich bin dafür und voll dabei.
    • 4 Finger: Okay für mich mit kleinen Einschränkungen.
    • 3 Finger: Okay, aber mit gemischten Gefühlen.
    • 2 Finger: Nein, ich bin dagegen, blockiere die Entscheidung aber nicht.
    • 1 Finger: VETO – ich bin dagegen und sehe große Gefahr für Team/Organisation.

Vorhandene Einwände werden dann noch integriert und die Entscheidung wird entsprechend angepasst. Gelingt das nicht, wird der Prozess abgebrochen. In der Regel steht am Ende des Prozesses allerdings eine Entscheidung, mit der alle noch besser zusammenarbeiten können. Eine Konsent-Entscheidung kann zudem jederzeit optimiert werden. Sobald eine neue und bessere Lösung vorgeschlagen wird, verhandeln alle, die mitentscheiden, erneut darüber. 

Facilitation - Claudia Thonet

Tipp 3: Besser zusammen agieren!

Für einen agilen Coach gilt die Grundannahme „Jeder/jede ist eine 10!“ D. h. alle im Team sind toll – und zwar nicht nur ein bisschen. Diese Haltung der radikalen Akzeptanz ist an sich schon eine wichtigste Interventionen, die einzelne Teammitglieder stärken und dafür sorgen kann, dass alle besser zusammenarbeiten. Sie kann jederzeit praktiziert werden – auch in Teams oder von Menschen, die nicht agil arbeiten. Das Vertrauen allein und ein Fokus auf die jeweiligen Stärken wird die Beteiligung aller fördern.

Zusätzlich lässt sich die Beteiligung aller aber auch durch viele kleine Interventionen fördern. In Meetings können z. B. interaktive Formate dafür sorgen, dass alle zu Wort kommen. Eine weitere Möglichkeit ist die Verteilung funktionaler Rollen z.B. in einem Workshop:

  • Pull-Rollen: Dazu werden im Team-Rollen definiert und es wird geklärt, welche Aufgaben jemand übernimmt, der sie hat. Dann wählen alle eine Rolle, die sie möglichst anspricht (Pull-Rollen). Das ist wichtig, damit sich alle selbstwirksam fühlen können und tatsächlich Mitverantwortung übernehmen. Mögliche Rollen könnten sein:
    • Moderatoren übernehmen die Moderation.
    • Fokusbeschleuniger passen auf, dass der vereinbarte Fokus nicht verloren geht.
    • Andersdenker bringen neue Perspektiven ein und hinterfragen die Gruppenmeinung.
    • Prinzipienwächter achten während des Meetings auf die vereinbarten Werte und Arbeitsprinzipien.
    • Pausenhüter stimmen Pausen ab, sorgen für deren Einhaltung sowie dafür, dass Fenster geöffnet werden oder auch für Bewegung zwischendurch.
    • Time-Keeper achten auf die Zeit und überwachen das Time-Boxing.
    • Facilitatoren beobachten die Gruppe und deren Interaktionen und überlegen, wie sie die Dynamik des Teams beeinflussen können.

Wer den Eindruck hat, dass die eigene Zuständigkeit gefordert ist, hebt die eigene Rollenkarte hoch und gib der Gruppe ein entsprechendes Signal. So sind alle – jeweils mit ihrem eigenen Fokus – voll dabei und Meetings werden dynamischer, die Beiträge interessanter und die Beteiligung reger. Der großartige Nebeneffekt: Auch typischen Ärgernisse wie ausufernde Diskussionen, schlechtes Zeitmanagement, abseitige Beiträge oder einseitigen Fokussierungen lassen sich so erfolgreich aushebeln.

Facilitator - Claudia Thonet

Tipp 4: Besser zusammen in Meetings

Einen weiteren Beitrag dazu, dass alle besser zusammenarbeiten, leisten natürlich auch gute Meetings. Zu den agilen Tools, die hier besonders hilfreich sind, gehören außerdem z.B. auch 

  • Timeboxing: Eine strikte zeitliche Begrenzung von Agenda-Punkten trägt viel zu einem guten und fokussierten Austausch bei. Der Facilitator achtet dann darauf, dass die vereinbarten Zeitfenster eingehalten werden – z.B. auch spielerisch mit einer Sanduhr oder einem Timer.
  • Visualisierung: Durch den Einsatz von Flipcharts, Whiteboards oder digitalen Tools werden Diskussionen und Ergebnisse für alle sichtbar gemacht. Dies fördert das gemeinsame Verständnis und die Fokussierung.
Claudia Thonet spricht vor Teilnehmenden der Ausbildung zum agilen Facilitator.

Tipp 5: Besser zusammen arbeiten!

Darüber hinaus prägen gute Coachs auch die Stimmung im Team. Gerade auch in herausfordernden Zeiten können sie dazu einladen, Sorgen und Zweifel zu teilen und sie offen zu besprechen. Das ist besser, als wenn im Team ständig gejammert und genörgelt wird. Dazu eignet sich beispielsweise eine kleine Intervention, die auch in der wöchentlichen Teambesprechung ihren Platz finden kann:

  • Jammerlappen: Dazu bringt der Initiator der Übung einen Putzlappen oder etwas ähnliches mit, legt ihn in die Mitte oder neben den Besprechungstisch und erklärt: „Das hier ist ein Jammerlappen: Wer auf ihm steht, darf mal so richtig losjammern und sich total beschweren über alles, was krumm läuft.“ Dann fängt er vielleicht selbst an, stellt sich darauf und erzählt in ein paar Sätzen davon, was ihm gerade Sorgen macht oder aufregt. Danach lädt er die nächsten, es ihm nachzutun – so lange bis alle im Team mal schön gejammert haben. Das hebt meist schnell die Stimmung und es fällt leicht, danach im Meeting konstruktiv zu reden.
  • Weitere Tipps dazu, wie sich Teams aus dem Jammertal herausführen lassen, gibt es im nächsten Blogbeitrag.

Mögliche Weiterführende Links/Actions 

Claudia Thonet

Gründerin/Geschäftsführerin
Expertin für agile Transformation/agile Führung und Teams


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