Weniger jammern – 3 agile Tools, die den Teamgeist stärken
Teamwork ist nicht immer einfach. Richtig schwer wird sie, wenn’s insgesamt nicht ganz rund läuft, die Unzufriedenheit wächst oder die ganze Welt einfach düster aussieht. Dann wird auch in den besten Teams gejammert. Zum Glück lässt sich mit agilen Methoden die Stimmung in jedem Team verbessern.
Die Teamdynamik zu verbessern, gehört zu den klassischen Aufgaben der agilen Facilitation. Dazu gehört auch, dass agile Coachs ihr Team gegebenenfalls aus einem Jammertal holen und den Teamgeist zu fördern. Denn es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Jammern vor allem weiteres Jammern begünstigt, lösungsorientierte Äußerungen dagegen hemmt. Andersherum wird in einem Team, das vor allem über Lösungen redet, weniger gejammert und lösungsorientierter kommuniziert (vgl. die Studie der Arbeits- und Organisationspychologin Dr. Simone Kauffeld).
Wenn die Stimmung im Team offensichtlich schlecht ist, Menschen sich mutlos oder zynisch äußern oder einfach insgesamt viel gejammert wird, wird ein agiler Coach deshalb aktiv eingreifen. Er oder sie lädt das Team dann ein, sich der Situation zu stellen und gemeinsam einen neuen Spirit zu finden. Dazu benutzen agile Coachs z. B. die folgenden drei Interventionen, die auch in nicht agilen Teams die Stimmung im Team heben können.
1. Zwei Kreise für bessere Teamdynamik
Eine gute Aktivität, um den Teamgeist zu stärken, ist die Übung „Circle of Influence“. Sie basiert auf Stephen Coveys Konzept der Einfluss- und Sorgenkreise und hilft frustrierten Teams, sich – wieder – auf das zu konzentrieren, was sie tatsächlich beeinflussen können. Die Übung kann z. B. zum Einsatz kommen, wenn eine Kollegin mit Facilitation-Anspruch merkt, dass im Team zu viel Energie verschwendet wird auf Dinge, die man hier ohnehin nicht ändern kann.
Um das zu ändern, lädt sie das Team – vielleicht sogar mit Hinweis auf die schlechte Stimmung – zu einem Austausch ein. Der kann, muss aber nicht im Rahmen einer Retrospektive stattfinden. Er kann aber auch in der normalen Teammeeting Platz finden. Dazu geht die Moderatorin in vier Schritten vor:
- Vorbereitung: Vor dem Meeting hat die Teamleiterin, die als Facilitator agiert, zwei konzentrische Kreise auf ein Whiteboard oder ein großes Blatt Papier gezeichnet. Dabei repräsentiert der innere Kreis den Einflussbereich, der äußere den Sorgenbereich.
- Sammlung: Nun lädt die oder der Facilitator alle ein, ihre aktuellen Sorgen, Herausforderungen oder Probleme auf Haftnotizen zu schreiben. Sind genug Zettel zusammengekommen, kleben die Teammitglieder sie im entsprechenden Kreis auf. Dazu wird bei jedem Problem gemeinsam diskutiert, ob das Team direkten Einfluss auf das Problem hat oder nicht.
- Reflexion: Nun wird gemeinsam das Ergebnis betrachtet und gefragt: Wo kleben die meisten Notizen? Wie viel Energie geht in machbare Dinge? Und wie viel Energie investiert das Team in Dinge außerhalb seines Einflussbereichs? Was macht das mit unserem Teamgeist?
- Aktionsplan: Anschließend wird geplant, wie sich der Teamgeist heben und die Teamdynamik wieder verbessern lässt. Dazu wird vereinbart, auf welche Aspekte man sich in Zukunft bei der Zusammenarbeit konzentrieren will. Das sollten vor allem solche sein, die vom Team tatsächlich beeinflussbar sind. Zudem kann der Plan auch konkrete Schritte umfassen, um den Einflussbereich zu erweitern.
Das Tool aktiviert so zu proaktivem Denken und hilft, Ressourcen effektiver einzusetzen: Die Teammitglieder, werden ermutigt, dort gemeinsam aktiv zu werden, wo Aussicht auf Erfolg besteht – und zwar mit einem klaren Fokus und einem positiveren Team-Spirit.
2. Teamgeist stärken durch Rückwärtsdenken
Diese agile Methode, die als Reverse Thinking oder Reverse Brainstorming bekannt ist, ist sehr hilfreich, um Probleme oder Herausforderungen aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Hierbei werden die Dinge, die die Teamdynamik gerade belasten, eingehend betrachtet. Doch statt direkt nach Lösungen zu suchen, fragen sich alle, wie sie diese noch drastisch verschlimmern könnten. Das geht in fünf Etappen:
- Problemdefinition: Zunächst sammelt z.B. ein Moderator die Probleme und Herausforderungen, über die gerade besonders viel gejammert wird. Dann werden diejenigen ausgewählt, auf die das Team Einfluss hat und die näher behandelt werden sollen. Für zwei bis drei Themen wird nun klar definiert, worum es hier geht.
- Reverse Fragestellung: Dann wird zu jeder Sorge oder Herausforderung eine Frage formuliert, die das Problem umkehrt, z.B. „Wie könnten wir die Lieferengpässe noch verschlimmern?“ oder: „Wie können wir dafür sorgen, dass die IT-Abteilung überhaupt nicht mehr mit uns kommuniziert?“
- Brainstorming: Nun sammelt das Team Antworten, also Ideen, wie jedes Problem verschärft werden könnte. Diese Ideen können unkonventionell oder sogar absurd sein – Hauptsache kreativ! Die Moderatorin oder der Moderator sammelt die Antworten am Flipchart.
- Analyse: Gemeinsam werden die gesammelten Ideen untersucht, wobei die zugrunde liegenden Ursachen und Faktoren identifiziert werden. Beispiel: Die Engpässe lassen sich mit Sicherheit verschärfen, wenn man die Lieferanten noch seltener persönlich spricht. Der Grund: Das Vertrauen sinkt und ein anderer Abnehmer bekommt den Vorzug.
- Lösungsvorschläge: Die Moderatorin regt nun an, die Erkenntnisse aus der Analyse umzunutzen, um innovative Lösungen zu entwickeln. Daraus entstehen Aktionen, mit denen sich das ursprüngliche Problem konstruktiv angehen lässt. So könnte beispielsweise entschieden werden, dass die persönliche Beziehung zum Lieferanten bestärkt wird.
Diese umgekehrte Herangehensweise regt das kritische Denken an und kann zu innovativen Lösungen führen. Das Team fühlt sich handlungsfähig und im gemeinsamen Projekt verbunden – das stärkt den Teamgeist unmittelbar!
3. Wertschätzung für mehr Teamzusammenhalt
Wenn alle mit Mangel und Defiziten beschäftigt sind, werden sie schnell blind für die positiven Seiten bzw. betrachten diese als selbstverständlich. Deswegen ist auch der Blick auf die Sonnenseite immer wieder relevant, um den Teamgeist zu stärken. Er gelingt gut mit einer wertschätzenden Erkundung.
Diese Intervention ist abgeleitet von Appreciative Inquiry, die die US-Amerikaner David Cooperrider und Diana Whitney in den 1980er-Jahren entwickelt haben. Sie setzt auf die positive Psychologie und deren Wirkung und lässt sich mit den folgenden fünf Schritten umsetzen:
- Warm-up: Der Moderator erläutert kurz die Relevanz von positiver Psychologie und sorgt mit positiven Warm-ups für eine an genehme Atmosphäre. Wichtig dabei ist, dass er selbst sehr wertschätzend mit dem Team und sich selbst umgeht und positive Formulierungen nutzt.
- Visualisierung: An einem vorbereiteten Board visualisiert der Moderator, die Themen, die wertschätzend betrachtet werden sollen, z.B. „unser Team“, „unsere Kunden“, „unsere Organisation“ oder „jede(r) Einzelne“. Darüber schreibt er die Frage: Was schätzen/mögen/lieben/achten/bewundern/genießen/respektieren wir/ich– an … Zu allen Punkten werden positive Antworten auf Post-its gesammelt.
- Arbeit in Kleingruppen: In Zweier- oder Dreiergruppen interviewen sich die Teammitglieder nun gegenseitig zu den vorher gesammelten Perspektiven. Der- oder diejenige, die interviewt fragt mehrfach nach: „Was schätzt du noch? Was magst du außerdem? Was begeistert dich?“ Pro Interview sollen sich die Partner 20 Minuten Zeit nehmen. Dann wechseln die Rollen. Alle weiteren Antworten werden ebenfalls notiert.
- Alternative Think-Pair-Share: Dazu schreiben alle ihre Antworten alleine für sich auf, danach tauschen sich jeweils zwei Personen aus, dann vier und schließlich wird alles im Plenum auf dem Board visualisiert.
- Präsentation: Die Übungspartnerinnen stellen nun gegenseitig ihre Antworten vor und visualisieren diese auf dem großen Wertschätzungsboard.
Damit sich der neue, positive Teamgeist entfalten kann, sollten nun alle gemeinsam die vielen positiven Perspektiven im Team auf sich wirken lassen, ohne die Dinge zu zerreden.
Manchmal ist es zunächst schwierig, in die positive Betrachtung zu kommen, vor allem wenn vorher viele Spannungen aufgebaut worden sind. Dann braucht das Team etwas Zeit, um sich auf diese Betrachtungsweise voll und ganz einzulassen. Das gelingt, wenn man die Übung langsam angeht. Denkbar ist aber auch, vorher die Mini-Methode „Jammerlappen“ einzuschieben: Sie ist hier beschrieben und umfasst im Grunde einfach ein sehr ausführliches, aber kontrolliertes Jammern. Das hilft oft dabei, Belastendes loszulassen und zu teilen – und schafft Raum und Energie, um die Teamdynamik gezielt zu verbessern!
Mögliche Weiterführende Links/Actions
- Infos zum Kompaktkurs „agile Moderation“