OKR: Mehr Teamleistung durch flexible Ziele

Im Januar 2025 hat Mark Zuckerberg in einem Interview mit Podcaster Joe Rogan ein Rückkehr zu alten Antreibern und die Entlassung von „leistungsschwachen“ Mitarbeiterenden angekündigt. In Deutschland erhöht SAP-Chef Christian Klein schon seit Längerem intern den Druck mit einem neuen Leistungssystem. Sie setzen dabei auf vermeintlich bewährte Methoden der individuellen Leistungsmessung und harter Auslese. Eine gute Idee? Das ist zumindest zweifelhaft. 

Zum einen werden auf absehbare Zeit gute Leute schwer zu finden und nicht einfach zu halten sein. Schon deshalb lohnt es sich, der eigene Belegschaft mehr auf Augenhöhe zu begegnen. Denn ein selbstbewusster IT-Profi wird sich kaum durch strenge Leistungsziele zu höherem Engagement peitschen lassen. Und kaum eine begehrte KI-Expertin wird sich ständiger Erfolgskontrolle aussetzen. Statt zu riskieren, als „Low Performer“ aussortiert zu werden, wenn es gerade mal nicht so gut läuft, werden sie sich lieber einen moderneren Arbeitgeber suchen.

Konventionelle Leistungsziele versagen 

Gerade Menschen, die hervorragend ausgebildet und intrinsisch motiviert sind, Leistung zu bringen, lassen sich durch starren Druck von oben nicht nachhaltig antreiben – erst recht nicht in einer Zeit, in der viele verunsichert und ohnehin schon am Limit ihrer Leistungsfähigkeit sind. Was sie eher brauchen, um ihr volles Potenzial abzurufen, ist das Gefühl, dass sie mit dem, was sie tun, einen sinnvollen Beitrag leisten. 

Deshalb powern sich motivierte Menschen auch nicht gern für Ziele aus, die von oben zwar dringend gewollt sind, von unten betrachtet aber nicht überzeugen. Und die gibe es gar nicht so selten im Business: Schließlich weiß das Top-Management oft gar nicht so genau, was die komplexen Dynamiken des Marktes gerade erfordern und wie es sich im Arbeitsalltag jedes Teams sinnvoll und realistisch umsetzen lässt. Alltagsferne Leistungsvorgaben aber überfordern und demotivieren.

OKR-Zyklus, Claudia Thonet

OKR definiert: Wie funktioniert das agile Zielsystem?

Wer gute Leute und deren Engagement für sich und das eigene Projekt gewinnen will, sollte deshalb besser nicht in die traditionellen Kategorien des Leistungsdenkens zurückfallen. Zielführender ist es, Leistungserwartungen positiv und flexibel zu formuliert – und zwar zusammen mit denen, die sie erfüllen sollen. Dafür bietet sich das Konzept Objectives & Key Results (OKR) an. 

Das agile Zielsystem liefert eine Struktur, die es leicht macht, ein inspirierendes Gesamtziel für eine ganze Organisation in motivierende Teilziele für einzelne Teams aufzulösen. Ursprünglich wurde das OKR-Framework von Unternehmen wie Intel und Google populär gemacht, wo das System schon seit über 20 Jahren genutzt wird. Es umfasst v.a. zwei Hauptkomponenten:

  1. Objectives (Ziele):  Das O in OKR steht für qualitative, inspirierende Ziele, die ein Team oder eine Organisation innerhalb der nächsten 3 bis 4 Monate erreichen möchte. Sie sind klar und prägnant formuliert als erstrebenswerter Zustand in der Zukunft. Dabei sind sie kundenfokussiert und ambitioniert und sollen dazu anregen, außergewöhnliche Leistungen zu erbringen. 
    • Ein Objective könnte beispielsweise lauten: „Unsere Kunden sind immer zufriedener mit uns“ oder „Im Sommer kennt uns in der Branche XY jeder.“
  2. Key Results (Schlüsselergebnisse): Key Results sind die quantitativen Benchmarks, die den Fortschritt in Richtung des Ziels – also des Objectives – messbar machen. Sie sind spezifisch, ergebnis- und terminorientiert. In den obigen Beispielen könnten Key Results wie folgt aussehen:
    • Für die Kundenzufriedenheit: Senkung der Support-Anfragen um 25% und Verkürzung der Reaktionszeit auf Kundenanfragen von 24 auf 6 Stunden
    • Für die Markenbekanntheit: Erhöhung der Social Media Follower um 25% und 100 Anmeldungen in unseren Produkt-Webinaren

Sowohl Objectives als auch Key Results werden nicht von oben vorgegeben, sondern von den Teams selbst formuliert. Denn OKR basiert auf der Annahme, dass Teams selbst am besten wissen, welchen sinnvollen Beitrag zum größeren Ganzen sie leisten können – und wie genau sie das tun. Dabei legen die Teams auch selbst fest, wie sie den Fortschritt auf dem Weg dahin messen wollen.

Orientierung dafür bietet die Unternehmensvision (z. B. „Bei Selbständigen ist unsere nutzerfreundliche Steuersoftware die erste Wahl.“) und die daraus abgeleiteten mittelfristigen Etappenziele des Managements. Diese werden oft Moals (Mid-Term-Goals) genannt und beschreiben, wie die Vision innerhalb eines Jahres umgesetzt werden soll („Unsere Kunden lieben die neue Benutzerfreundlichkeit unseres Hauptprodukts“ oder „KMUs nehmen unsere Dienstleistungen und Produkte immer mehr wahr“). 

OKR formulieren: Wie findet ein Team seine OKR?

Um eigene OKR zu entwickeln, treffen sich die Mitglieder eines Teams in einem mehrstündigen Planungsmeeting (Planning). Dort beschäftigen sie sich mit den vom der Führungsetage festgelegten strategischen Zielen für das Gesamtunternehmen und überlegen, wie ihr konkreter Beitrag dazu aussehen kann. Dann erarbeiten sie

  1. qualitative Objectives: Welche Ziele nehmen wir uns vor? Was wollen wir erreichen? 
  2. quantitative Key Results: Woran messen wir unseren Erfolg?

Das Planning stellt den Auftakt des OKR-Zyklus dar. Jedes Team einigt sich auf 3 bis 4 Objectives, die in diesem Zyklus, der in der Regel ein Quartal umfasst, erreicht werden sollen. Für jedes dieser Objectives werden ebenfalls jeweils 3 bis 4 Key Results definiert (siehe Grafik OKR-Zyklus ?).

Dieser Zyklus umfasst in der Regel einen Zeitraum von drei Monate und hat mehrere Phasen: Die Festlegung der OKR, ihre Umsetzung und ihre Überprüfung und Anpassung. Er wird iterativ durchlaufen. Das bedeutet, nach der Umsetzung und dem Review geht das Team direkt zur Anpassung der Ziele und damit zum nächsten Planning über. So lernen die Teams immer wieder auf Neue von ihren Erfahrungen und können sich und ihre Zusammenarbeit stetig verbessern – und v.a. immer effektivere Ziele formulieren.

Von OKR profitieren: Welche Vorteile haben agil definierter Ziele?

Anders als hierarchisch vorgegebene Leistungsziele sind Team, die mit OKR arbeiten also partnerschaftlich an der Umsetzung der strategischen Unternehmensziele beteiligt. Sie können ein Beitrag leisten, den sie für sinnvoll halten und erleben sich so als selbstwirksam und anerkannt. So fördern OKR die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeitenden. Zusätzlich bieten OKR zahlreiche Vorteile für beide –für Unternehmen und Teams. 

  1. OKR sorgen für effektive Zielerreichung: Weil OKR von denjenigen definiert werden, die am besten wissen, was sie beisteuern können, sind sie in der Regel nicht nur realistisch erreichbar. Sie sind auch effektiv, da die Teammitglieder wissen, was sich am Markt tut und wo sie mit ihren Projekten am besten ansetzen, um die Strategie umzusetzen.
  2. OKR motivieren durch Mitgestaltung: Weil die Teams selbst entscheiden, wie sie z.B. die höhere Kundenzufriedenheit erreichen wollen, sind sie maßgeblich an der Umsetzung der Strategie beteiligt. So sehen sie den direkten Einfluss ihrer Arbeit auf den Erfolg des Teams oder der Organisation. Gleichzeitig wählen sie selbstbestimmt, wofür sie ihre Energie investieren (Pull statt Push Prinzip).
  3. OKR fördern die Kooperation: Weil sie nicht individuelle Leistungsziele, sondern Team-Beiträge definieren, fördern OKR zudem die kreative Kollaboration. Die gemeinsame Definition der Ziele und konkreten Kennzahlen und die offene Kommunikation der Ziele und Fortschritte fördert die Zusammenarbeit und das Teamgefühl: Alle Mitglieder wissen nicht nur, worauf sie gemeinsam hinarbeiten, sondern auch, wo die anderen gerade stehen und können so ihre Anstrengungen besser koordinieren.
  4. OKR stärken den Fokus: Außerdem helfen OKR, die eigenen Prioritäten zu klären. Wenn sich alle im Team einigen, auf welche Ziele man sich im kommenden Quartal konzentriert, werden immer auch Projekte als weniger dringend oder wichtig eingeordnet. Das schafft Klarheit für alle Beteiligten und ist besonders wertvoll in einer Umgebung, in der viele verschiedene Aufgaben und Projekte gleichzeitig jongliert werden müssen. Auch die Gefahr, dass der Fokus in Stressphasen nur noch auf dem Tagesgeschäft liegt, lässt sich so reduzieren.
  5. OKR machen agil: Umsetzungsziele erfordern in einer dynamischen Welt immer wieder Anpassungen – sei es, weil sich die Bedingungen verändern, sei es, weil Auswirkungen anders eingeschätzt wurden. Deshalb ist das OKR-Framework als iterativer Prozess angelegt, in dem regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen eingeplant sind. Dies ermöglicht es Teams, auf Veränderungen, Irrtümer oder neue Chancen schnell zu reagieren – und gleichzeitig die gemeinsame Vision im Fokus zu behalten.
  6. OKR unterstützen psychologische Sicherheit: Nebenbei schaffen OKR so immer wieder neue Gestaltungsräume und senken den Druck, perfekte Ergebnisse liefern zu müssen. Denn wenn sich ein Key Result tatsächlich nicht erreichen lässt, wird es in der nächsten Iteration eben anders formuliert.

Mit OKR starten: Einstieg mit OKR-Master

Das agile Zielsystem OKR in einem bisher traditionell hierarchisch arbeitenden Unternehmen einzuführen, erfordert eigentlich eine große Transformation: Unverzichtbar ist eine Unternehmensvision, in der sich alle wiederfinden und aus der sich sinnvolle Unterziele ableiten lassen. Außerdem nötig ist die Einführung neuer Methoden und Prozesse und oft auch neuer Strukturen sowie eine neue Handlungslogik und eine fehleroffene und lernbereite Kultur. Zudem braucht es eine neue, transformative Führung, die bereit ist, auf „klare Ansagen“ zu verzichten und die Zielverantwortung zumindest teilweise bei den Teams zu verorten. All das lässt sich nicht kurzfristig einführen, sondern nur nach und nach entwickeln – und zwar am besten mit einer professionellen Prozessbegleitung durch einen OKR-Coach. Diese Rolle ist eine der Erfolgsfaktoren für die Einführung von OKR (mehr Infos: 5 Erfolgsfaktoren zur OKR-Einführung)

Der oder die OKR-Coach hilft, im Prozess den Fokus auf das zu richten, was wichtig und zielführend ist. Er oder Sie unterstützt bei der Einführung und Umsetzung der Methode, moderiert die Events, beantwortet strukturellen Fragen und übernimmt die prozessuale Verantwortung für die Zyklen in den verschiedenen Teams. Außerdem berät ein OKR-Coach oder OKR-Master natürlich auch die Unternehmensleitung bei der Frage, ob und wie die Organisation von der Einführung des Frameworks profitieren kann. Um OKR-Master zu werden, reicht es, ein entsprechendes agiles Mindset mitzubringen und sich das notwendige Wissen und Handwerkszeug in einer dreitägigen Ausbildung anzueignen – zum Beispiel bei uns:

👉 Die nächsten Ausbildungsstarts:

Ausbildung OKR-Coach: Präsenz in Berlin & Live-Online – Beginn: … Ausbildung Agiler
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Claudia Thonet

Gründerin/Geschäftsführerin
Expertin für agile Transformation/agile Führung und Teams


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