3 Tools, um im Team laterale Führung zu testen
Viele Teams wollen nicht mehr auf starren Strukturen und starken Führungsfiguren setzen, sondern ihre Herausforderungen gemeinsam angehen. Dafür brauchen sie erst einmal keine große agile Transformation. Um effizienter und produktiver auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, können sie auch agile Tools nutzen, mit denen sich die Vorteile von Selbstorganisation erleben und laterale Führung im Kleinen auszuprobieren lässt.
Teams, die besser zusammenarbeiten möchten, können so herausfinden, dass Selbstorganisation nicht Selbstüberlassung bedeutet, sondern dass auch in agilen Teams geführt wird – nur eben auf eine andere Art und Weise: Die Führung in agilen Teams wird geteilt („shared Leadership“) und funktioniert auf Augenhöhe (laterale Führung).
Was ist laterale Führung?
Selbstorganisation bedeutet also nicht, dass sich Führungskräfte einfach zurücklehnen können, weil alles von selbst läuft. Im Gegenteil: laterale Führung bedeutet, dass möglichst alle aktiv einbezogen und dazu ermutigt werden, Verantwortung zu übernehmen.
Einen guten Eindruck davon, wie eine selbstorganisierte, stärkenorientierte Verteilung der Verantwortlichkeiten z. B. in einem Workshop oder Meeting aussehen kann, gibt diese Anleitung für eine agile Moderation mit Pull-Rollen – also selbst gewählte Rollen, die alle einbeziehen. Diese rollengebundene Selbstorganisation ist ein Element von lateraler Führung.
Unabdingbar dafür, dass die Teilung der Führung funktioniert, sind neben Rollen außerdem transparente Strukturen, klare Vereinbarungen und eine gemeinsame Ausrichtung. Durch sie können agile Teams auch ohne „Anweisungen von oben“ effizient und produktiv zusammenarbeiten. Mit den drei folgenden Methoden aus dem agilen Tool-Koffer können sie auch Teams testen, die noch klassisch zusammenarbeiten.
Tool 1: Agile Boss Game – Laterale Führung spielerisch testen
Diese Team- oder Seminarspiel ist besonders gut geeignet, um die Vorteile von Selbstorganisation zu verdeutlichen. Die interaktive Übung simuliert eine komplexe Herausforderung mit einfachen Mitteln, anhand derer die Teilnehmenden spielerisch den Unterschied zwischen hierarchischer Führung und selbstorganisiertem Enabling der Mitarbeitenden erleben.
Ein Beispiel für geteilte Führung im komplexen Kontext
Gleichzeitig lässt sich aufzeigen, wie man im Team schneller und effizienter ans Ziel gelangt, wenn alle eigenständig Entscheidungen fällen können.
- Vorbereitung: Erforderlich ist ein Raum, der genug freie Fläche bietet, damit sich alle gut bewegen können. Dort wird ein Spielfeld mit Krepp-Band auf dem Boden markiert – es enthält etwa quadratische Felder, die teils offen und teils gesperrt sind. Dann wird die Gruppe in „Chefs“ und „Mitarbeitende“ aufgeteilt.
- Die Anweisung: Nun bekommt jede Chefin und jeder Chef einen Mitarbeitenden und die Anweisung, diesen jeweils mit den Kommandos „vor, zurück, links oder rechts“ durch das Spielfeld zu führen. Die Mitarbeitenden dürfen sich nicht berühren oder ein Feld zu zweit belegen. Die gesperrten Felder dürfen nicht betreten werden. Ziel des Spiels ist, alle gleichzeitig in einer vorgegebenen Zeit auf die andere Seite des Spielfelds zu führen.
- Erste Runde: Die Führungskräfte dirigieren ihre jeweiligen Mitarbeitenden nun unter Einhaltung der Regeln nach und nach durch das Spielfeld. Dabei wird gezählt, wie viele Schritte jede und jeder gebraucht hat.
- Zweite Runde: Die Aufgabe wird wiederholt, wobei die Mitarbeitenden selbstständig durch das Spielfeld navigieren dürfen, während die Chefs sich anderen Aufgaben widmen (oder selbst zusätzlich aufs Spielfeld gehen). Auch in dieser Runde zählen alle ihre Schritte.
- Auswertung und Fazit: Im Vergleich der Ergebnisse beider Runden zeigen sich die Vorteile von Selbstorganisation. In zweiten Durchgang haben sich die Führungskräfte vielleicht übergreifenden Themen gewidmet, wie beispielsweise der Strategie. Dennoch sind die Mitarbeitenden effizienter ans Ziel gekommen: Durch eigenverantwortliches Handeln waren sie schneller und brauchten weniger Schritte.
Das Spiel regt zur Reflexion über Führungsstile und die Vorteile agiler Arbeitsmethoden an. Es kann z.B. auch ein guter Einstieg in eine Meeting sein, bei dem die Konzepte von Selbstorganisation und lateraler Führung eingeführt und die aktuelle Zusammenarbeit reflektiert wird.
Tool 2: Themen-Kanban – Laterale Führung erleben
Ein Kanban ist eine agile Methode zur Visualisierung und Optimierung von Arbeitsprozessen. Sie stammt ursprünglich aus dem Lean Management und wird im agilen Kontext gern genutzt, um Arbeit und Führung transparent zu verteilen. Das gelingt mit einem Board, auf dem Aufgaben entsprechend ihrem Bearbeitungsstatus in Spalten wie „To-Do“, „In Arbeit“ und „Erledigt“ gepinnt werden. Wenn ein Teammitglied eine Aufgabe aus der To-Do-Liste übernimmt, verschiebt es diese in die „In-Arbeit“-Spalte. So können alle sehen, wofür sich schon jemand – freiwillig und selbstorganisiert – verpflichtet hat, und was noch zu tun ist.
Ein Themen-Kanban überträgt diesen Ansatz auf die inhaltliche Organisation von Meetings. Mit ihm lässt sich erleben, dass Selbstverpflichtung – als das Herzstück agiler Selbstorganisation – gar nicht so schwer zu praktizieren ist. Zumindest dann, wenn die zweite Voraussetzung für die Selbstverpflichtung erfüllt ist: nämlich dass sich alle mit den anstehenden Projekten und Themen identifizieren.
Laterale Führung braucht Selbstverpflichtung!
In Meetings und Workshops lässt sich beides erleben, wenn die Moderatorin laterale Führung praktiziert, indem sie alle einlädt, die Verantwortung für Inhalte und Entscheidungen mitzuübernehmen
Sie nutzt dazu ein einfaches Kanban-Board, das als selbstorganisiert entwickelte Agenda fungiert. Darauf sind nicht nur die gemeinsam geplanten Themen sichtbar, sondern auch ihr Status: Sie wandern im Laufe der Moderation durch den Prozess, bis sie für alle abgeschlossen sind. Erforderlich dafür sind:
- ein Whiteboard/Flipchart oder eine Folie mit vier Spalten mit den Überschriften „Backlog/Waiting“, „To-do“, „In Progress /Doing“ und „Done“,
- Moderationskarten (große Post-its, Karten, Statties …), auf denen die Themen einzeln visualisiert sind,
- Optimal ist es, die Themen als User Story zu beschreiben: z.B. steht anstelle des Themas „Agiles Manifest“ der konkrete Nutzen für die Teilnehmenden (die „User“) auf der Themenkarte – also etwa „Alle kennen das Agile Manifest und verstehen dessen Bedeutung.“
Die Themen kommen zunächst in die Backlog-Spalte, wo sie priorisiert werden. Die Teilnehmenden bestimmen die Relevanz jedes Thema beispielsweise anhand folgender Kriterien und gruppieren sie entsprechend:
- Must have = Das Thema muss behandelt werden
- Should have = Das Thema sollte behandelt werden
- Could have = Das Thema könnte behandelt werden
Die „Must have“-Themen kommen zuerst in die To do-Spalte, dann die „Should have“-Themen, die „Could have“-Themen bleiben zunächst im Backlog.
- Alle weiteren Themen, die während des Workshops auftreten, werden ebenfalls ins Backlog getan. Sobald die wichtigen Themen im „Done“ sind, werden sie – nach Zustimmung der Gruppe – nach und nach ins „To-do“ gezogen.
Durch diese Form der Visualisierung ist der Verlauf der Inhalte jederzeit nachvollziehbar und gemeinsam mit der Gruppe steuerbar – und Selbstorganisation im Kleinen praktisch demonstriert.
Tool 3: Rollen-Canvas – Laterale Führung organisieren
Wenn Teams nicht nur im Meeting, sondern auch im Arbeitsalltag Verantwortung anders verteilen wollen, können sie das mit Hilfe eines Rollen-Canvas tun. Er vermittelt einen guten Einblick in die agile Hierarchie, die weg von Positionen und hin zu Rollen geht, also für eine Ordnung sorgt, die kreisförmig und vernetzt ist, statt klassisch hierarchisch.
In agilen Teams hat die Struktur selbst eine Führungsfunktion!
Durch dieses Tool wird schnell deutlich, dass Agilität absolut nichts mit Anarchie oder Unordnung zu tun hat – sondern dass im Gegenteil auch in agilen Organisationen diszipliniert gehandelt, konsequent entschieden und auch klar – nur eben lateral – geführt wird.
- Wie eine solche rollengebundene Führung aussehen und organisiert werden kann, habe ich in diesem Blogbeitrag schon ausführlich beschrieben:
Die agile Hierarchie: weg von Positionen hin zu Rollen
Mit Tools wie diesen lassen sich Erfahrungen mit Selbstorganisation in kleinen, geschützten Räumen sammeln und ein Einblick in die Logik agiler Führungsmethoden bekommen. Vielleicht wecken diese Einblicke in dem einen oder anderen Team dann sogar Neugier auf mehr –am Ende möglicherweise sogar auf eine agile Transformation.
Und warum auch nicht? Denn die Herausforderungen um uns herum – egal ob in der Weltpolitik oder im Arbeitsalltag – werden sicher nicht weniger werden und die Hoffnung, dass ein starker Entscheider allein die ganze Übersichtlichkeit auflösen kann, wird sich früher oder später als Täuschung erweisen. Dann aber sind alle, die schon gelernt haben, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und agil zu agieren, schon gut gerüstet, um erfolgreicher Lösungen zu finden als die, die auf Ansagen warten!
Weiterführende Links:
Diese Ausbildung hilft dir, Selbstorganisation zu ermöglichen:
Ausbildung Agile Führung