Was ist eine Retrospektive und wie gelingt sie wirksam?

Bei einer Retrospektive betrachten Teams ihre Wir-Kultur und lernen aus dem Vergangenen, um eine bessere Zusammenarbeit zu erreichen. Die Definition einer Retrospektive ist der bewusste Blick zurück; eine strukturierte Rückschau auf das, was war. Denn wenn Teams zusammenkommen, entsteht mehr als nur Output oder Produktivität. Es entsteht Kultur. Jede Interaktion, jedes Verhalten, jede Geste und jede Rückmeldung formt das unsichtbare Band, das Teamarbeit trägt oder untergräbt.

Retrospektiven laden dazu ein, genau diese Kultur zu betrachten. Unbequem, ehrlich, klärend, aber auch stärkend, unterstützend und ungemein wohltuend. Denn wie oft bleiben Dinge unausgesprochen, gären unter der Oberfläche oder entladen sich im falschen Moment? Wie oft findet Wertschätzung zu wenig Raum im Alltag? Dabei ist längst bekannt: In anerkennungsorientierten Unternehmen sind MitarbeiterInnen bis zu elfmal engagierter und bleiben im Durchschnitt siebenmal länger.

Eine agile Retrospektive schafft den Rahmen für genau diese Reflexion. Sie ist ein festes Element und gibt regelmäßig die Möglichkeit, Prozesse und Teamdynamik zu hinterfragen, Muster zu erkennen und gezielt an der Verbesserung zu arbeiten.

Agile Methoden Übersicht: Retrospektiven-Board - Claudia Thonet

Agile Retrospektiven als Werkzeug der kontinuierlichen Verbesserung in Teams

In einer Team Retrospektive – insbesondere in der agilen Retrospektive – blickt das Team bewusst auf den letzten Arbeitszyklus oder Sprint zurück. Diese Form der strukturierten Reflexion ist zentraler Bestandteil der Teamarbeit in agilen Projekten. Ziel ist es, auf Basis der bisherigen Kommunikation untereinander neue Impulse für Verbesserungen zu gewinnen und konkrete Maßnahmen für die nächste Iteration abzuleiten.

Die Retrospektive schafft Raum für ehrlichen Austausch und gibt dem Team Gelegenheit zur gemeinsamen Rückschau und bringt die zentralen Fragen an die Oberfläche:

  • Wie haben wir in dem letzten Zyklus als Team zusammengearbeitet?
  • Welche Prozesse und Abläufe haben uns unterstützt – und welche nicht?
  • Was macht uns als Team aus und wie erleben wir unsere Teamdynamik?
  • Welche Stärken konnten wir gezielt einsetzen, welche Ressourcen haben wir ungenutzt gelassen?
  • Wo liegen unsere Verbesserungspotenziale und welche Dinge sollten wir künftig anders machen?
  • Welche Herausforderungen haben uns gebremst – und welche Lösungen könnten helfen?

Diese Fragen helfen, Probleme im Team frühzeitig zu erkennen, Verhaltensmuster zu reflektieren und gemeinsam Verantwortung für die Weiterentwicklung zu übernehmen. Durch die Retrospektive können agile Teams kontinuierlich dazulernen, nicht nur fachlich, sondern auch kulturell.

Dabei wird das Verhalten, Haltung und Rollenverteilung analysiert. Die Teammitglieder geben während der Durchführung Feedback, benennen Schwierigkeiten, entwickeln Ideen und treffen verbindliche Vereinbarungen. In regelmäßigen Abständen nimmt sich das Team Zeit für eine Zusammenfassung und schafft einen Überblick zur Verbesserung, ein zentrales Element im Projektmanagement und in der agilen Arbeitsweise.

Eine gute Retrospektive endet nicht bei der Analyse. Sie führt zu klaren Ergebnissen, definiert Maßnahmen, schärft den Fokus und bringt noch während der Durchführung Lösungen auf den Weg. So wird das Meeting nicht zur reinen Aussprache, sondern zum echten Entwicklungsschritt für das Team, das Projekt und die gemeinsame Verantwortung.

Wo kommen Retrospektiven her?

In agilen Retrospektiven aus dem Framework Scrum machen die Scrum Teams nach jedem Sprint eine Retrospektive als Team Meeting. Dieses Meeting wird vom Scrum Master moderiert, der mit der passenden Auswahl an Werkzeugen, Fragen und Methoden die Teammitglieder dabei unterstützt, konkrete Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Zusammenarbeit zu entwickeln. Ziel ist es, am Ende jeder Iteration gemeinsam zu reflektieren, was gut lief, wo es Herausforderungen gab und wie die Teamarbeit gezielt weiterentwickelt werden kann.

Je nach Dauer der Iteration, Zustand des Teams und Reifegrad empfiehlt es sich, außerhalb der täglichen Routinen einen eigenen Retrospektiven-Zyklus von etwa vier bis zwölf Wochen zu etablieren. Solche Reflexionsräume in Retrospektiven helfen Teams, aus ihrer eigenen Praxis zu lernen, aus Erfolgen genauso wie aus Herausforderungen. Je nach Arbeitsrhythmus und Reifegrad bietet es sich an, in Form einer Retrospektive in einem einem festen Rhythmus zusammenzukommen, etwa alle vier bis zwölf Wochen. Damit diese Form der Retrospektive gelingt, braucht es einen klaren Rahmen, ausreichend Zeit, eine gute Moderation und ein sicheres Umfeld, in dem alles angesprochen werden darf, was für die Weiterentwicklung des Teams wichtig ist.

Wozu dienen Retrospektiven?

Retrospektiven bringen Teams und einzelne Mitglieder in ihrer Entwicklung weiter, sorgen für eine komprimierte Teamentwicklung und erhöhen den Reflexionsgrad des Teams. Für interdisziplinäre Teams ist das ein absolutes Muss, um mit der Divergenz untereinander umgehen zu können. Für eine effektive Selbstorganisation braucht es einen hohen Reifegrad. Dieser entsteht aber nicht zufällig, sondern ist das Ergebnis konsequenter Arbeit an der gemeinsamen Entwicklung.

Was ist eine Retrospektive, Ausbildung, Claudia Thonet

Warum werden Retrospektiven eingesetzt? 

Leider wird diese Frage viel zu häufig gestellt und mit ausgefallenen und schlecht moderierten Retrospektiven beantwortet. Meetings, in denen Menschen auf sich und ihre Interaktionen schauen sind zutiefst beunruhigend und unbequem. Und unbequemen Dingen wollen wir natürlicherweise ausweichen. Gleichzeitig sind unserer Erfahrung nach konstruktive und lösungsorientierte Teamzusammenkünfte der Schlüssel zum Glück. Wer wünscht sich nicht Teil eins Teams zu sein, in dem jeder in seinem Wesen akzeptiert, in seinen Stärken gefördert und in seiner Entwicklung befeuert wird? Das fällt nicht vom Himmel, sondern ist das Resultat konsequenter Reflexion und Beziehungsarbeit untereinander und mit sich selbst. 

Wie laufen Retrospektiven ab?

Retrospektiven werden gut vorbereitet: Der Master, der Moderator oder der agile Coach wählt eine zum Team und zur Teamstimmung passende Retrospektiven-Methode aus die die Probleme adressiert und die Verbesserungsmöglichkeiten und bereitet alle Materialien vor. Das funktioniert online auch sehr gut. Außer bei Konflikten, die bereits eskaliert sind … dazu würden wir immer eine Präsenz Retrospektive empfehlen. 

Wir vermitteln in unseren Ausbildungen zum agilen Coach oder Trainer eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden für gute Retrospektiven. Die Anforderungen an den Moderator sind vielschichtig und erfordern Erfahrung und Moderationskompetenz.

Was ist eine Retrospektive? 5 Retro-Phasen, Claudia Thonet

Retrospektiven haben fünf Phasen, die jeweils individuell konzipiert und moderiert werden:

  1. Einloggen: Holt alle Teilnehmer mit ins Boot und klärt den Sinn und Zweck.
  2. Themen erheben und bewerten: Reflektiert die letzte Iteration. Sammelt und priorisiert die Themen.
  3. Hintergründe verstehen: Ergründet die Ursachen und Zusammenhänge für Missverständnisse, Schwierigkeiten oder Hindernisse.
  4. Themen lösen und entscheiden: Trefft im Team gemeinsam Vereinbarungen und Entscheidungen, die die Kooperation und den Teamgeist fördern.
  5. Ausloggen: Lasst alle Beteiligten ihr Feedback zur Retro geben und sorgt für einen guten Abschluss.

Welche typischen Hürden gibt es? 

Halbherzig vorbereitete oder schlecht moderierte Retrospektiven richten oft mehr Schaden an, als sie Nutzen bringen. Ein Format, das eigentlich zur Reflexion, Klärung und Verbesserung beitragen soll, verfehlt seine Wirkung, wenn es nicht professionell durchgeführt wird.

Die Rolle des Moderators ist dabei zentral. Sie erfordert eine neutrale Haltung, professionelle Distanz und einen klaren Fokus auf den Prozess. Sobald der Moderator gleichzeitig als Teammitglied eigene Interessen verfolgt oder sich emotional verstrickt, verliert die Retrospektive an Klarheit und Richtung – und kann dem Team sogar schaden.

Befindlichkeiten, Spannungen und ungünstige Interaktionen wie gegenseitige Schuldzuweisungen gehören zu den typischen Herausforderungen in Retrospektiven. Umso wichtiger ist es, mit einer Haltung radikaler Akzeptanz aufeinander zu schauen. „Jeder ist als Mensch eine Zehn“, das ist unser Leitsatz. Es geht nicht um Bewertung, sondern um Wertschätzung. Kein Teammitglied ist mehr wert oder in seinem Wesen über ein anderes gestellt.

Fehlendes Vertrauen macht jede Retrospektive zur Farce. Denn ohne psychologische Sicherheit sagt niemand mehr, was wirklich gedacht wird. Die relevanten Themen verschwinden dann unter der Oberfläche, ungelöst, aber weiterhin wirksam im Miteinander.

Vermeidet es, ungelöste Fragen von Retrospektive zu Retrospektive mitzuschleppen. Bleibt stattdessen im Dialog und sucht direkt nach konkreten Lösungen, die im Team getragen werden. Das verhindert Stagnation und stärkt die Eigenverantwortung für eine bessere Zusammenarbeit.

Achtet außerdem darauf, dass die Retrospektive in Form und Ablauf gut strukturiert ist. Wenn wie bei vielen klassischen Meetings zu lange gesprochen wird ohne klares Ziel, ohne Ergebnis, ohne Veränderung verliert das Format an Kraft. Eine gute Retrospektive ist kein Endlosgespräch, sondern ein Raum für fokussierten Rückblick, klare Entscheidungen und verbindliche nächste Schritte.

Schaut euch vor der Retrospektive das Team genauer an und schätzt die Teamphase ein. Je nach Entwicklungsphase hat das Team unterschiedliche Bedürfnisse oder Herausforderungen, die es zu meistern gilt. 

Wie funktionieren Retrospektiven in der Online-Variante?

Noch Anfang 2020 habe ich agilen Team geraten, alle Meetings außer den Retrospektiven bei Bedarf remote zu machen. Doch gerade bei der Reflexion der Zusammenarbeit war ich überzeugt: Das gelingt nur in Präsenz wirksam. Mittlerweile haben wir selbst unzählige Retros online durchgeführt. Wirksam und relevant waren sie unter drei Vorausetzungen:

  1. Alle haben die Kamera an und sehen sich.
  2. Es wird ein Kollaborations-Tool genutzt, auf dem alle gemeinsam arbeiten und visualisieren können.
  3. Es gibt Breakout-Räume, in denen Kleingruppen etwas erarbeiten können oder ein Zweier Gespräch möglich ist. 

Die Retrospektive ist meines Erachtens das Kernelement agiler Prozesse. Wir sollten regelmäßig überprüfen und offen diskutieren, wie die Zusammenarbeit funktioniert, damit wir so sicherstellen, dass Teams wirklich an einem Strang ziehen und effektiv zusammenarbeiten.

Unsere Retrospektiven-Beispiele

Toffifee-Retrospektive

Was ist die Toffifee-Retro?

Die Toffifee-Retro, eine Retrospektive zum auflockern, hilft auf eine spielerische Weise die letzte Arbeitsphase zu reflektieren. Dabei tauscht sich das Team sowohl über Positives wie auch über Herausforderungen und Lernzonen aus.

Retrospektive-Tool Toffifee-Retro, © Claudia Vinke-Fehlauer & Alena Bunk

Wozu dient die Toffifee-Retro?

Die Toffifee-Metapher hilft uns den Rückblick auf die vergangene Teamarbeit strukturiert zu reflektieren und auszudrücken. Die 3 Fragen sind Komponenten der Süßigkeit zugeordnet und geben so eine gute Feedback Struktur vor und bilden somit das Toffifee-Retro.

Warum wird die Toffifee-Retro eingesetzt?

Toffifee-Retros dienen dem Rückblick und Ausblick mit dem Ziel die Aufmerksamkeit auf die Zusammenarbeit zu lenken und diese kontinuierlich zu verbessern. Dazu ist es wichtig sowohl über das Positive wie auch über die Herausforderungen und die Lernfelder zu sprechen. 

Wie läuft die Toffifee-Retro ab?

  • Der Moderator hat optimalerweise eine Packung TOFFIFEE dabei und teilt sie mit dem Team:
  • Jedes Toffifee hat 3 Schichten: die dunkle Schokolade, das Karamell und die kleine Nuss in der Mitte.
    • Bitte gebt uns als Team Feedback in dieser Form der 3 Schichten:
    • Was war süß wie Schokolade?
      Was lief super? Worin hatten wir einen guten Lauf? Was hat besonders gut funktioniert? Welche Stärken konnten wir zeigen? Welche Kompetenzen haben uns dabei geholfen?
    • Welche Nuss mussten wir knacken? 
      Welche Herausforderungen hatten wir? Was war erst mal schwierig? Welche Hindernisse sind aufgetaucht? Was mussten wir überwinden?
    • Was ist kleben geblieben?
    • Was haben wir gelernt? Was haben wir entwickelt? Was hat uns zusammengehalten? 
  • Jedes Teammitglied notiert zu den 3 Schichten seine Antworten
  • Anschließend wird das Feedback gleich besprochen und sortiert
  • Das Team wählt 1–3 Aktionen die es aus dem Feedback in die nächste Arbeitsphase mitnehmen und umsetzen will.

Was sind typische Hürden und welche Tipps aus der Praxis helfen?

Je nach Entwicklungsstufe und Kontext des Teams gibt es unterschiedliche Hürden bei der Toffifee-Retro:

Bei Teams in der Forming-Phase werden heikle Themen bei der Nuss selten thematisiert. Bei Storming-Teams ist es hingegen wichtiger auf Schokoladen Seite zu achten und die Schwierigkeiten als Lernfelder umzudeuten.

Flaschengeist-Retrospektive

Was ist die Flaschengeist-Retro?

Diese Retrospektive macht es auf eine märchenhafte Weise möglich auch kritische Themen sehr konstruktiv anzusprechen und auf mehreren Ebenen gleichzeitig Reflektion anzuregen.

Wünsche werden nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Teamebene und für die Organisation formuliert und mit den anderen geteilt.

Retrospektive-Tool, der Flaschengeist

Wozu dient sie?

Die Flaschengeist Metapher hilft uns Themen, die das Team bewegen in Fomr von Wünschen auszudrücken. Dabei wird gewaltfreie Kommunikation geübt und Bedürfnisse oder Hindernisse in konstruktive Botschaften umgeformt. Außerdem reflektiert das Team durch die 3 Ebenen der Fragen (für dich selbst, für dein Team, für die gesamte Organisation) die wichtigsten Komponenten der Zusammenarbeit: Ich + Wir + Alle

Warum wird sie eingesetzt?

Vorwürfe sind verunglückte Wünsche! Auf der Wunsch Ebene können wir respektvoll die Themen ansprechen, die uns bewegen. Wir schaffen durch diese Form der gewaltfreien Kommunikation einen psychologisch sicheren Rahmen. Die Ebenen Ich + Wir + Alle sind die entscheidenden Faktoren der Entwicklung eines performanten Teams.

Wie läuft sie ab?

  • Der Moderator leitet in einer Märchenerzähler Stimmführung diese Retro an:
    • „Es war einmal … ein Geist, der sich in einer Wunderlampe versteckte. Wie bei Aladin. Du hast diese Wunderlampe entdeckt und den Geist daraus befreit.
  • Nun hast du tatsächlich 3 Wünsche frei!
    • Einen Wunsch kannst du ganz für dich selbst äußern.
    • Einen Wunsch hast du für euch als Team frei.
    • Und einen dritten Wunsch hast du für die gesamte Organisation frei.
    • Wähle deine Wünsche weise – denn sie werden sich erfüllen und du hast nur diese 3 Wünsche offen!
  • Jedes Teammitglied notiert einen Wunsch auf jeweils einem Post-it (am besten nutzt ihr unterschiedliche Farben pro Ebene: Ich + Team + Alle.
  • Anschließend werden die Wünsche für die 3 Ebenen ausgesprochen und zugeordnet.
  • Auf allen 3 Ebenen werden die Wünsche geclustert und besprochen.
  • Pro Ebene wird eine Aktion oder Vereinbarung gewählt, die dem Team hilft darin weiter zu kommen.

Was sind typische Hürden und welche Tipps aus der Praxis helfen?

Achtet darauf, dass die Wünsche nicht nebulös sind oder sich außerhalb des Handlungsspielraums des Teams befinden. Fragt immer nach, was das Team oder jede:r Einzelne selbst dazu beitragen kann, dass der Wunsch erfüllt wird.

Stärken-Retrospektive 

Was ist eine Retro mit Stärken stärken?

„Stärken stärken“ ist eine konstruktive Feedbackmethode. Die Stärken werden ausgesprochen.
Die Optimierungsthemen werden umgedeutet in Verhaltensweisen, die auf den Stärken aufbauen.

Serie Retrospektiven: Stärken-Retro, Claudia Thonet

Wozu dient sie?

Wir nutzen diese Variante, weil sie Feedback unserer Erfahrung nach wirklich konstruktiv macht und beim Gegenüber Resonanz erzeugt. Dadurch werden tatsächlich zielgerichtete und wirksame Impulse gesetzt, die einen Menschen in seiner Selbsterkenntnis und Entwicklung weiterbringen können. Der Dreh beim Stärken stärken Feedback besteht im Reframing, sprich der Umdeutung der Kritikpunkte oder Wünsche des Feedback-Gebers in eine zielgerichtete Botschaft. Statt Kritik zu verpacken, wird das „Stattdessen“-Verhalten verbalisiert.

Warum wird sie eingesetzt?

Die Feedback-Debatte ist seit vielen Jahren ein beliebtes und heiß umstrittenes Thema. Die Einen schwören auf direkte und kritische Rückmeldungen, um beim Gegenüber die Entwicklung anzustoßen und blinde Flecken bewusst zu machen. Die Anderen warnen vor negativem Feedback und betonen den Schaden der angerichtet werden kann. Beide Thesen sind unseres Erachtens nach wichtig und beachtenswert. Gerade die agile Moderation braucht eine Variante, die beide Ansätze auf gute Weise integriert. Denn wir wollen im agilen Kontext schnell und konstruktiv auf den Punkt kommen.

Wie läuft sie ab?

  • Visualisiert eine Tabelle mit Stärken und Stärken stärken und überlegt mit dem Team gemeinsam, ob ihr zusätzlich bestimmte Feedbackbereiche (Aufgabenverteilung, Umgang miteinander, Ergebnisorientierung, Abstimmung) definiert.
  • Lasst jeden alle Stärken notieren und dann im Plenum miteinander austauschen. Welche Stärken, Fähigkeiten, Kompetenzen, Erfahrungen etc. haben wir als Team?
  • Anschließend lasst ihr einzeln Notizen machen zu der Fragen:
    Was können wir noch stärken, ergänzen, mehr machen, ausweiten, …, um noch besser, effektiver, zufriedener, balancierter, fokussierter zu werden?
  • Auch diese Antworten werden im Plenum ausgetauscht, geclustert und priorisiert.
  • Mindestens eine konkrete Handlung wird bis zur nächsten Retro vereinbart und umgesetzt.

Was sind typische Hürden und welche Tipps aus der Praxis helfen?

Um die Stärken zu stärken und keine Defizite zu formulieren braucht das Team Übung im Umdeuten und in positiver Formulierung. Welche bereits vorhandenen Stärken, Fähigkeiten, Erfahrungen helfen uns um noch besser zu werden oder Schwierigkeiten zu bewältigen?

Wie funktioniert es in der Online-Variante?

Die Methoden funktioniert auch ohne Breakout Sessions und Kollaborationsboard. Es reicht ein Videochat und ein einfaches Whiteboard. In der Einzelarbeit kann auch jeder seine Notizen zu den Stärken und zu Stärken stärken handschriftlich aufschrieben und dann im Plenum vorlesen. Dann kann ein Moderator alles auf dem Whiteboard notieren und visualisieren.

Wertschätzungs-Retrospektive 

Was ist eine wertschätzende Erkundung?

Die wertschätzende Erkundung ist eine Retrospektive, bei der das Team ausschließlich wertschätzend sich selbst und sein Umfeld betrachtet. Dabei sammelt das Team einzeln und gemeinsam alles Positive, Gute, Stärkende, Fördernde, Begeisternde etc.

Retrospektive, Wertschätzende Erkundung

Wozu dient sie?

Die wertschätzende Erkundung dient der positiven Psychologie und deren Wirkung: Durch die konsequente Betrachtung der guten Seiten des Unternehmens, der Kunden, des Teams und jedes Einzelnen wird das Team gestärkt und aufgerichtet. Oftmals sind wir zu sehr mit Mangel und Defiziten beschäftigt und werden blind für die positiven Seiten bzw. betrachten sie für selbstverständlich. Von Zeit zu Zeit ist deswegen der Blick auf die Sonnenseite absolut
relevant.

Warum wird sie eingesetzt?

Schnelle, fokussiert und selbstverantwortliche Zusammenarbeit erzeugt viele Spannungen bei jedem Individuum und in der Gruppe. Reine Wertschätzung und positives Feedback erzeugt Entspannung und Zufriedenheit. Das tut nicht nur gut, sondern ist ein wichtiger Treibstoff für jede Entwicklung.

Wie läuft sie ab?

  • Der Moderator erläutert die Relevanz von positiver Psychologie und sorgt mit positiven Warm ups für eine angenehme Atmosphäre. Wichtig ist dass der Moderator selbst sehr wertschätzend mit dem Team und sich selbst umgeht und positive Formulierungen nutzt.
  • Das visualisiert er die Bereiche/Themenfelder/Umfeldfaktoren die betrachtet werden:
    • Was schätzen / mögen / lieben / achten / bewundern / genießen / respektieren wir/ich:
    • an unseren Kunden / unserem Markt
    • an unserer Organisation
    • an unserem Team
    • an jedem Einzelnen
  • Teilt das Team in 2er- oder 3er-Gruppen auf und lasst die Partner sich gegenseitig interviewen zu den vorher gesammelten Perspektiven. Der Interviewer fragt mehrfach nach. Was schätzt du noch? Was magst du außerdem? / Was begeistert dich? Pro Interview sollen sich die Partner 20 Minuten Zeit nehmen.
  • Danach wird gewechselt bis jeder jeden zu allen Themen interviewt hat und auch alle Antworten aufgeschrieben wurden.
  • Alternativ könnt ihr Think – Pair – Share moderieren: Dazu schreibt jeder seine Antworten alleine in Stille auf – danach tauschen sich zwei zusammen aus – danach vier – und dann wird alles im Plenum an dem Board visualisiert.
  • Die Übungspartner stellen gegenseitig ihre Antworten vor und visualisieren diese auf dem Wertschätzungs-Board.
  • Lasst anschließend die vielen positiven Perspektiven im Team wirken ohne die Dinge zu zerreden.
Retrospektive, Wertschätzende Befragung

Was sind typische Hürden und welche Tipps aus der Praxis helfen?

Oftmals ist es zunächst schwierig, in die positive Betrachtung zu kommen, vor allem wenn vorher viele Spannungen aufgebaut wurden. Das Team braucht etwas Zeit, um sich auf diese Betrachtungsweise voll und ganz einzulassen. Nehmt bei dieser Methode das Tempo bewusst raus.

Wie funktioniert sie in der Online-Variante?

In der Online-Variante sammelt Ihr die Themen im Plenum und schickt dann die Interviewpartner in Breakout Sessions. Für die online Variante der Erkundung braucht ihr eine Plattform, auf der ihr alles visualisieren und die Teilnehmer Notes schreiben können. Dann funktioniert die Moderation analog wie in Präsenz. Bei einigen Plattformen gibt es bereits fertige Templates für Retrospektiven mit ähnlichen Metaphern (Boot, Flugzeug, …) die ihr nutzen könnt.

Heißluftballon-Retrospektive

Was ist die Heißluftballon-Retrospektive? 

Die Heißluftballon-Retrospektive eignet sich für Teams ab der Storming-Phase. Anhand der Metapher eines steigenden Heißluftballons wird die Zusammenarbeit und die Umfeld-Einflüsse auf ein Team reflektiert und sichtbar gemacht. 

Was ist die Heißluftballon-Retrospektive? Blogbeitrag

Wozu dient die Heißluftballon-Retrospektive? 

Die Heißluftballon-Retrospektive dient der Betrachtung fördernder und hemmender Aspekte, die in irgendeiner Weise auf das Team einwirken. Außerdem schärft die Methode die Orientierung und Ausrichtung auf die Strategie. Das Team reflektiert sowohl seine Vision und seine Ziele durch die Frage „Was lässt uns steigen?“ wie auch seine Bremsklötze und Hemmnisse mit der Frage: „Was sind unsere Sandsäcke? Was hält uns am Boden?“. Durch die Metaphorik der Heißluftballon-Retrospektive hat das Team sehr schnell gedankliche und emotionale Vorstellungen und Antworten zu den verschiedenen Fragen. 

Gleichzeitig sorgt die Fragestellung „Wo müssen wir mehr einheizen?“ für Selbstwirksamkeit des Teams und verhindert Schuldzuweisungen. 

Warum wird die Heißluftballon-Retrospektive eingesetzt? 

In der Alltagsroutine arbeitet das Team vorwiegend an operativen Themen und an der Kooperation untereinander. Von Zeit zu Zeit ist es deswegen wichtig, nicht nur im Team sondern auch am Team zu arbeiten. Das Team betrachtet sich in der Heißluftballon-Retrospektive anhand der Ballons selbst aus einer Art Vogelperspektive und kann dadurch neue Erkenntnisse gewinnen. 

Wie läuft die Heißluftballon-Retrospektive ab? 

  • Zeichnet einen Heißluftballon auf eine Flipchart, Metawand oder auf ein Kollaborationsboard und fügt Wolken als Ziele und Sandsäcke als Hindernisse hinzu. 
  • Formuliert gemeinsam mit dem Team welche strategischen Ziele auf den Wolken stehen sollen. Was ist die Ausrichtung des Ballons? Wohin will er aufsteigen? 
  • Stellt den Timer auf 5 Minuten. Dann lasst jedes Teammitglied für sich alleine zu folgenden Fragen Notes schreiben: 
    • Was lässt uns steigen?
    • Was bringt uns vom Kurs ab? 
    • Was hält uns am Boden oder zieht uns nach unten? 
    • Wo müssen wir mehr einheizen? 
  • Wir nutzen gerne unterschiedliche Farben für die Fragen- dann sind die Notizen für die Teilnehmer und später auch für das Team, leichter den 4 Fragen zuzuordnen. 
  • Anschließend lasst ihr entweder die Notizen von jedem visualisieren und mit kurzer Erklärung präsentieren oder ihr lasst erst die Beiträge in Kleingruppen (2–3) austauschen und diskutieren bevor es im Plenum ausgetauscht wird. 
  • Nach dem Austausch entscheidet sich das Team für mindestens eine konkrete Handlung, ein Action Item, zur Verbesserung der Zusammenarbeit. welches bis zur nächsten Retro umgesetzt wird. 

Was sind typische Hürden, und welche Tipps aus der Praxis helfen? 

Je nach Teamklima ist es uns schon passiert, dass viel mehr Sandsäcke (Was zieht uns nach unten?) als andere Notizen gemacht wurden und der Ballon zum Frustablassen von Themen, die nicht im Einflussbereich des Teams lagen, genutzt wurde. Deswegen stellen wir gerne die Frage nach Themen, die im Team Spielfeld liegen. 

Wie funktioniert die Heißluftballon-Retrospektive in der Online-Variante? 

Für die Online-Variante der Heißluftballon-Retrospektive braucht ihr eine Plattform, auf der ein Ballon dargestellt werden kann und die Teilnehmer Notes schreiben können. Dann funktioniert die Moderation analog wie in Präsenz. 

Druiden-Retrospektive

Was ist die Druiden-Retro?

Diese agile Retrospektive macht es auf eine märchenhafte Weise möglich, die Entwicklungszone des Teams in Meetings zu reflektieren und durch die Zaubertrank-Metapher Eigenschaften, Fähigkeiten oder Verhaltensweisen zu benennen, die das Team stärken wird.

Druiden-Retro, 3 Fragen, Claudia Thonet,

Wozu dient sie?

Die Druiden-Metapher hilft uns, agile Entwicklungsthemen des Teams in Form von Zaubertrank-Zutaten auszudrücken. Auf konstruktive und humorvolle Art und Weise können dabei Potenziale oder Schwierigkeiten umgeformt werden in Zutaten. Dadurch soll jeder/jede Einzelne und das gesamte Team Superkräfte erhalten. Das Team kann auf vorhandene Stärken aufbauen und diese potenzieren, oder es benennt Eigenschaften, die bisher zu wenig vorhanden sind.

Warum wird sie eingesetzt?

Retros dienen der Weiterentwicklung der Kooperation. Entwicklungszonen zu besprechen, ist für viele Menschen unangenehm oder sogar beängstigend. Viele haben in ihrer Historie negative Erfahrungen mit Feedback gemacht und dieses als Bewertung oder Abwertung erlebt. Durch die Zaubertrank-Metapher wird das Team automatisch positiv und in einem psychologisch sicheren Rahmen über Weiterentwicklung sprechen. 

Wie läuft sie ab?

  • Der Moderator leitet in einer Märchenerzähler-Stimmführung diese Retro an:
    „Es war einmal … ein kleines gallisches Dorf mit ganz besonderen Einwohnern. Einer von ihnen war der Druide. Er konnte für die Dorfbewohner einen magischen Zaubertrank herstellen. Jeder/Jede, die/der davon trank, bekam Superkräfte. Dadurch wurde das Dorf fast unbesiegbar und nahm es mit den größten Herausforderungen auf.
  • 1. Frage: Jetzt dürft ihr wählen: Welche Zutaten muss der Druide in euren Teamtrank hinzufügen, damit ihr richtig stark und unbesiegbar werdet?
    • Notiert bitte 3 konkrete Zutaten in Form von Eigenschaften, Werten, Prinzipien, Verhaltensweisen etc.
    • Jedes Teammitglied notiert drei Zutaten auf jeweils einem Post-it.
  • 2. Frage: Welche geheimen Kräfte und Fähigkeiten konnte der Druide bei uns ins letzter Zeit beobachten?
    • Notiert bitte mindestens 2 geheime Kräfte.
  • 3. Frage: Und welche Erkenntnisse und schlauen Hebel würde der Druide uns für die Zukunft mitgeben?
    • Notiert mindestens 1 Erkenntnis.
  • Anschließend werden die Notizen zu den 3 Fragen geclustert und besprochen.
  • Das Team wählt 1–3 Aktionen oder Vereinbarungen, die es voranbringen wird.

Was sind typische Hürden und welche Tipps aus der Praxis helfen?

Achtet darauf, dass die Zutaten konkret und umsetzbar sind. Fragt immer nach, was das Team oder jeder/jede Einzelne selbst dazu betragen kann.

Claudia Thonet

Gründerin/Geschäftsführerin
Expertin für agile Transformation/agile Führung und Teams


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