Die 4 Widerstände als Treiber agiler Transformation
Agile Transformation sind nicht nur 2 Buzzwörter, die hintereinander geschrieben stehen, sondern die beiden Begriffe treiben landesweit die Unternehmen zu unzähligen Fragezeichen über die Art und Weise, sich angemessen den neuen Anforderungen zu stellen.
Nicht nur die Suche nach dem „richtigen“ Weg des Wandels macht Entscheidern und den Teilnehmern unserer Coachings für agile Transformation jede Menge Kopfzerbrechen, sondern auch der Umgang mit den unvermeidbaren Widerständen, die spätestens nach der ersten Welle der Euphorie selbst die veränderungsfreudigen Innovatoren befällt.
Spätestens dann geht vielen Führungskräften, Transformationsmanagern oder Coaches für agile Transformation die Puste aus und sie stellen den neu eingeschlagenen Weg in Frage.
Doch genau das ist die Falle: anstatt die ersten Schritte als wichtige und erkenntnisreiche erste Lernschleife oder Iteration zu betrachten, wird der ganze Prozess in Frage gestellt.
Im Grunde genommen wäre die wirksamste Reaktion dem Widerstand zu begegnen sehr einfach: Denn die zwar paradox klingende und dennoch passende Reaktion ist Freude! „HURRA! Widerstand!“
Ohne Widerstand gibt es keine echte Veränderung. Sei eher beunruhigt, wenn alles ohne Störungen abläuft. Ich erinnere mich noch sehr gut an eine Zeit, in der ich wegen starker Nackenprobleme einen persönlichen Fitnesstrainer auf Rezept verschrieben bekam. Ich trainierte mindestens einmal wöchentlich mit ihm. Jedes Training verfluchte ich ihn (zumindest innerlich) und schwor mir nie wieder dorthin zu gehen; er forderte mich jedes Mal über meine Grenze hinaus. Trotzdem massiven Widerstand und Diskussionen mit ihm blieb ich dabei und merkte wöchentlich Fortschritte in meiner Halswirbelsäule. Nach sechs Monaten Training war ich nicht nur schmerzfrei, sondern insgesamt topfit und durchtrainiert. (Leider habe ich es nach langer schmerzfreier Zeit wieder schleifen lassen und darf jetzt wieder von vorne anfangen- doch diesmal wird der Widerstand eher sehr gering ausfallen – ich weiß ja, wie gut es wirkt)
Jede echte Entwicklung geht mit Widerständen einher. Der Umgang und die Mischung aus Fördern und Fordern entscheidet darüber, ob der Widerstand zum Scheitern oder Wachstum führt.
Mit Widerstand in der agilen Transformation wachsen
In unseren Ausbildungen zum agilen Coach oder agilen Vertriebscoach verstehen die Teilnehmer zunächst die 4 Arten und somit Ursachen von Widerstand. Denn erst wenn wir wirklich verstanden haben, welche verschlüsselte Botschaft dahinter steht, können wir als Coach anschlussfähig und wirksam sein. Wir haben in unserer Praxis gerade bei agiler Transformation vorwiegend folgende vier Widerstandsarten erlebt und entsprechend unterteilt. Der Umgang unterscheidet sich je nach Ursache und Botschaft voneinander. Entschlüsselt also erst die Ursachen und leitet dann anschlussfähige Fragen und Handlungen ab.
1. Interessens-Widerstand
Wenn die Interessen und Bedürfnisse Einzelner oder Mehrerer in einer Veränderung nicht mehr erfüllt werden, entsteht Widerstand. Unternehmen sind Zweckgemeinschaften und Mitarbeiter sind nur so lange motiviert und engagiert, wie ihre grundlegenden Interessen und Bedürfnisse auch innerhalb der Arbeitssituation erfüllbar sind. Wenn sich durch die Veränderungen beispielsweise Aufgaben oder Rahmenbedingungen verschlechtern, ist Widerstand vorprogrammiert. Klassische Vertriebler sind es gewohnt, ihre eigenen Kundenkontakte zu pflegen. Sie lebten lang und gut von Empfehlungsmanagement und einem treuen Kundenstamm. Wenn der Vertrieb agiler werden will und dadurch teamorientierter arbeitet, wird das vermutlich den Interessen des ein oder anderen Innen- und Außendienstmitarbeiters widersprechen und Widerstand erzeugen.
Bei Interessenswiderstand hilft nur eins. Thematisiert die Bedürfnisse und sucht gemeinsam nach Lösungen. Im genannten Beispiel wechselte der Innendienstmitarbeiter in das Großkundenteam. Dort entschied sich die Firma, weiterhin die Eins-zu-eins-Beziehung zu pflegen, weil Großkunden individuelle, eigene Prozesse und Abläufe erfordern. Andere Mitarbeiter gewöhnten sich nach einem halben Jahr an die Umstellung und fanden sogar Gefallen an den unterschiedlichen Kontakten und damit einhergehenden abwechslungsreichen Gesprächspartnern und Anliegen.
2. Überforderungs-Widerstand
Kennst du heutzutage noch Teams, die unterfordert sind oder sich sogar langweilen? Ehrlich gesagt begegnete mir früher dieses „Bore out“-Phänomen ab und zu bei meinen Vertriebscoachings oder Teamentwicklungen. Seit vielen Jahren bin ich verstärkt mit dem Gegenteil konfrontiert: Teams, die am Rande ihrer Kapazität arbeiten und das Gefühl haben, niemals fertig zu werden. Sie verlassen den Arbeitsplatz mit 50 unbeantworteten Mails und 20 nicht getätigten Rückrufen, ganz zu schweigen von den aktiven Kundenansprachen, die wöchentlich hinten runterfallen. Hand aufs Herz: Wie begeistert wärst du, lieber Leser, in so einer Situation Veränderungen mitzugestalten, Deine Arbeitsroutinen zu hinterfragen und Neues zu integrieren? Viel wahrscheinlicher würdest du über den unpassenden Zeitpunkt fluchen und dich fragen, wie Du das auch noch bewältigen sollst.
Überforderungswiderstand ist ein Schrei nach Hilfestellung und Unterstützung. Hier helfen nur kleine Schritte mit viel Ermutigung und schnellen Erfolgen. Die Stressoren müssen aufgedeckt, geklärt und beseitigt werden, bevor die Bereitschaft zur nächsten Veränderung oder Entwicklung wieder wächst.
3. Einwand-Widerstand
Einwände sind verunglückte Fragen! Jeder Verkäufer hat in diversen Verkaufsschulungen gelernt und bestenfalls verinnerlicht: Einwände sind auch Interessensbekundungen des Kunden. Unser Gegenüber gibt uns die Chance, den Nutzen des Produktes näher zu erläutern. So verhält es sich im Grunde auch mit dem Einwand-Widerstand. Hinter dieser Art von Widerstand verbirgt sich die wichtige Frage nach dem Nutzen oder Sinn der Veränderung. Hör bei Einwänden gut zu, erkenne die Frage hinter dem Einwand.
Beantworte diese nutzenorientiert oder noch besser: Hilf dem Fragesteller, selbst eine Antwort zu finden. „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“. Warum soll ein Team seine Arbeitsweise verändern und sich in unsicheres Fahrwasser von Experimenten wagen? Was bringt das dem Unternehmen, dem Kunden und jedem einzelnen Mitarbeiter? Nur wenn wir für diese berechtigten und wichtigen Fragen adressatengerechte Antworten finden, werden Teams bereit sein, ihre seichten und sicheren Fahrwasser zu verlassen und sich in das unsichere Feld der Lernzone zu begeben.
4. Dysfunktions-Widerstand
Wenn Störungen in einem Team überhandnehmen und dadurch Perfomance und Funktionalität beeinträchtigt sind, sprechen wir von Dysfunktionen. Das Team leidet sozusagen an diversen Krankheiten, die es schwächen. Dysfunktionale Teams sind derart mit ihren Störungen beschäftigt, dass sie wenig Energie für Veränderungen zur Verfügung haben. Die „Störungen nehmen Vorrang“, wie Ruth Cohen so treffend formuliert hat, sie ziehen die Aufmerksamkeit der Beteiligten magnetisch an. Patrick Lencioni beschreibt fünf typische Dysfunktionen von Teams.
- kein Vertrauen haben
- Konflikte vermeiden
- mangelnder Einsatz/Commitment
- keine Verantwortung übernehmen
- Ziele und Ergebnisse nicht beachten
Jedes Team hat die eine oder andere Dysfunktion. Das ist in der Zusammenarbeit ganz natürlich und sogar förderlich, vorausgesetzt es findet eine konstruktive Auseinandersetzung damit statt sowie die gemeinsame Weiterentwicklung. Wenn die Störungen allerdings missachtet werden und ein gesundes Maß übersteigen, dann leidet die gesamte Teamperformance darunter.
Regelmäßige Retrospektiven schützen Teams vor dysfunktionalen Störungen. Nehmen Sie sich als Team ab und zu die Zeit, um über Störungen zu sprechen und gute Vereinbarungen miteinander zu treffen.
Agile Teams leben von Unterschiedlichkeiten und nutzen sie, doch die Heterogenität darf dabei nicht zu groß werden. Die meisten Menschen streben nach Kohärenz und einem gewissen Grad an Homogenität. Wie in der Grafik verdeutlicht, ist eine gute Mischung entscheidend für die Leistungsfähigkeit und dementsprechend auch für die Veränderungsbereitschaft.
Bei dysfunktionalen Teams ist es wie bei einem kranken Organismus. Erst muss dieser wieder gesund werden, bevor er zu neuen Leistungen und Entwicklungen bereit ist. Analysiert mit dem Team die Dysfunktionen und findet gemeinsam Wege in die Funktionalität.
Du möchtest auch zertifizierter agiler Coach werden? Lerne in unserer Ausbildung von erfahrenen Trainern. Unser Experten Team in unserer Ausbildung zum Agilen Vertriebscoach oder zum agilen Coach. Mit Zertifizierung von Lehrtrainern der European Coaching Association (Berufsverband professioneller Coaches In Europa). Die nächste Ausbildung startet am 09.09.2021.
Auf unserer Website findet ihr eine ausführliche Beschreibung der Inhalte und Ziele: