Wie werden eure Teams geführt?

Die 5 Handlungsfelder der agilen Führung

Sprecht ihr eher von Positionen oder Rollen am Arbeitsplatz? Werden eurem Team die Aufgaben häufiger zugeteilt oder „zieht“ ihr sie eigenverantwortlich? Bekommt ihr Ziele vorgegeben oder wählt und messt ihr selbst euren Beitrag zu den Unternehmenszielen? Wer sich von klassischen Modellen verabschieden und Agilität am Arbeitsplatz vorantreiben möchte, kann anhand der fünf Handlungsfelder der agilen Führung einschätzen, wo sich das Team beziehungsweise das Unternehmen auf dem Weg dorthin befindet.

1. Positionen oder Rollen?

Selbstorganisiserte Teams, Claudia Thonet & Team

In der Führung von agilen Teams wird nicht mehr von Positionen gesprochen, sondern von Rollen. Ein Zustand, der den:die ein:e oder andere:n konservativ eingestellte:n Mitarbeiter:in vielleicht zunächst irritieren mag, aber der Verzicht auf die klassischen Positionen bedeutet nicht gleich, dass nun Anarchie herrscht. Agile Hierarchien – auch wenn es zunächst widersprüchlich klingen mag – sind kreisförmig und als Netzwerk aufgebaut.

Das klassische Wasserfallmodel, in welchem die einzelnen Aufgaben jeweils an feste Positionen und somit auch Personen gebunden sind und sich in der Regel nicht verändern, wird durch eine rollengebundene Führung ersetzt. Hier entscheidet jede:r für sich, in welcher Rolle sie:er das Team bereichert und bringt so gezielt ihre:seine Stärken ein.

Rolleninhaber:innen wie beispielsweise Scrum Master, Kanban-Owner, OKR-Master, Product Owner, agile Coaches oder auch agile Trainer:innen/Facilitator:innen übernehmen innerhalb und außerhalb der Teams anlassbezogen Verantwortung. Mithilfe einer Rollencanvas können Aufgaben, Kompetenzen und Ziele dabei klar und transparent erarbeitet werden.

Laterale Führung bleibt natürlich weiterhin wichtig, allerdings in dem Sinn, dass sie zum Selbstmanagement beiträgt und Verantwortlichkeiten stärkenorientiert verteilt. Dies erlaubt flexible Strukturen, die sich dem Aufgabenbedarf anpassen und in der Summe die Bildung von crossfunktionalen Teams.

2. Homogene oder heterogene Teams?

Heterogene Teams, Claudia Thonet & Team

Die entstandene Crossfunktionalität basiert wiederum auf der Heterogenität der selbst gefundenen Teams. Agile Teams sind in der Lage, in alle Richtungen schnell und flexibel zu agieren. Aufgrund ihrer individuellen Prägung und ihrem bunten Skillset – aber auch wegen der Möglichkeit des spontanen Umformieren der Teams – können agil arbeitende Teams sich ihrer Aufgabe stets anpassen.

Die einzelnen Teamplayer verfügen dabei nicht selten über unterschiedliche Fähigkeiten, die es aufgrund ihrer Vielseitigkeit wahrscheinlicher machen, dass neue Anforderungen erfüllt werden können. Ähnlich einer Fußballmannschaft, die Verteidiger:innen, Mittelfeldspieler:innen und Stürmer:innen auf dem Platz stehen haben, deren Fähigkeiten stark unterschiedlich ausgeprägt sind und abhängig vom Spielverlauf benötigt werden.

In klassischen Teams sind die Mitarbeiter:innen eher ähnlich geskillt und werden von einer Führungskraft geleitet. Hier passt das Bild einer Rudermannschaft: Der:die Schlagmann:frau gibt den Takt und die Richtung vor, das restliche Team ist für die Ruder verantwortlich – der Bewegungsablauf und somit die Anforderung an die Fähigkeiten ist hier für alle Ruder:innen ähnlich bis gleich.

Für beide Disziplinen funktioniert die jeweilige Variante sicherlich besser als die der anderen. Die Arbeitswirklichkeit zeigt allerdings, dass es zunehmend wichtiger wird, dass Teams flexibel und kund:innenzentriert arbeiten. Häufig verändern sich kurzfristig die Anforderungen und oft reichen die herkömmlichen Methoden nicht mehr aus, um Schritt mit dem rasanten Fortschritt zu halten. Agile Teams sind in diesem Fall ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor: denn der Wandel gelingt nur durch einen hohen Grad an Selbstorganisation interdisziplinär arbeitender Teams.

3. Kontrolle oder Vertrauen?

Teams brauchen Vertrauen, Claudia Thonet & Team

In klassischen Führungsmodellen erfolgt eine ständige, mit der hierarchischen Ordnung einhergehende Kontrolle der einzelnen Teams durch den:die jeweils Vorgesetzte:n. Der Fokus liegt hier ganz klar auf der Fehlervermeidung, da ein eher statisch agierendes Projektmanagement darauf angewiesen ist, dass es zu keinen heftigeren Irritationen kommt.

Denn der Mangel an Flexibilität erlaubt keine schnellen Neujustierungen oder Umwege in der Erreichung des Ziels. Das agile Team hingegen ist beinahe schon dazu aufgefordert, Irritationen zu ertasten und früh damit konfrontiert zu werden, um so in Zukunft die Lösungen bereits parat zu haben. Experimentierfreude und Kreativität finden in agilen Modellen wesentlich leichter ihre Umsetzung. Das Vertrauen in die Teams ist dabei eine Grundvoraussetzung agiler Führung. Daher muss auch Lenins weltbekanntes Sprichwort überdacht und angepasst werden, damit es nun im agilen Kontext lautet: „Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser.“

4. Transaktional oder transformativ?

Führung ist transformativ, Claudia Thonet & Team

Im Gegensatz zur klassischen Führung in der Top-down-Kultur zeichnet sich agile Führung mehr durch Rollen und Aktionen als durch Position und Macht aus – es wird nicht mehr transaktional nach Zielen und Zahlen geführt, sondern transformativ.

Der moderne Führungsansatz mit seinen Teamzielen und innovativer Selbststeuerung orientiert sich stark nach dem Sinn und Nutzen der Unternehmung. Transformative Führung stellt somit, im Gegensatz zur transaktionalen, nicht die Leistung durch Zielerreichung, sondern den Sinn der Arbeit durch ein größeres, erstrebenswertes Ziel ins Zentrum und verbindet die Transformation mit einer umfassenden Idee. Diese kann ökologischer, sozialer, regionaler oder auch ökonomischer Natur sein.

Entscheidend dabei ist der Beitrag des Teams zum großen Ganzen. Es wird hier auch beispielsweise nicht mehr von KPIs (Key Performance Indicator) gesprochen. Stattdessen halten die selbstgewählten OKRs (Objectives and Key Results) Einzug: Weg von Einzelzielen und Wettbewerb, hin zum Beitrag des Teams und zur Kollaboration. Transformative Führung soll den Teams Orientierung im agilen Wandel geben und Mitarbeiter:innen mit der Beantwortung des „Warum“ zu stärkerer Selbstverantwortung befähigen, was wiederum zu mehr Teamperformance und Kooperation über die Teams hinaus führt.

5. PUSH- oder PULL-Prinzip?

PUSH-Prinzip, Pull-Prinzip, Claudia Thonet & Team

Durch die damit einhergehende Selbstverantwortung und besonders durch gelebte Selbstorganisation wird ein beliebtes Prinzip bei der klassischen Aufgabenverteilung obsolet: das PUSH-Prinzip.

Im klassischen Modell vergibt die Führungskraft in ihrer autoritären Manier Aufgaben „nach unten“ weiter. Was durchaus Sinn macht, da die transaktionale Führung top-down verläuft. Von Oben vorgegebene Ziele, also von oben erteilte Aufgaben, müssen erfüllt werden.

In agilen Teams allerdings „zieht“ sich jedes Teammitglied eine Aufgabe, die den eigenen Kompetenzen und den eigenen Ressourcen entspricht. Allein dadurch, dass die Entscheidung zur Aufgabenübernahme von der bearbeitenden Person selbst getroffen wurde, lässt auf Eigeninteresse und Eigenverantwortung schließen, was in der Regel die Aufwandszeit positiv reguliert als auch die Umsetzungsqualität deutlich steigert.

Selbsteinschätzung Handlungsfelder Führung

Schätz dich selbst ein, wie weit du in die eine oder andere Richtung zwischen klassischer und agiler Führung stehst. Lass Kolleg:innen oder dein Team parallel ihre Einschätzung eintragen. Dann hast du einen Selbst- und Fremdbild-Abgleich.

Grafik Klassische Führung versus Agile Führung

Claudia Thonet

Gründerin/Geschäftsführerin
Expertin für agile Transformation/agile Führung und Teams


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