Serie Retrospektiven • Teil 2: Was ist ein Teamkonto?

Ein Teamkonto ist ein hervorragendes Instrument, um bei einem fortgeschrittenen Teamentwicklungsprozess Erkenntnisse über die Systemdynamik und den Beitrag jedes Einzelnen zum Team zu gewinnen. Gleichzeitig beinhaltet der Prozess ein intensives Feedback mit Selbst- und Fremdbildabgleich. 

Teamkonto, Claudia Thonet

Wozu dient ein Teamkonto?

Das Retrospektiven Format dient zur Bilanz der Zusammenarbeit. Teamkonto ist ein komplexes, strukturiertes Verfahren, in dem die Teammitglieder ihre Zusammenarbeit reflektieren. Sie gleichen gegenseitig das Selbst- und Fremdbild jedes Einzelnen im Team ab und feedbacken die individuellen Beiträge der Einzelnen zum Team. Dadurch verstehen die Teilnehmer die Dynamik in ihrem Team und erkennen ihren eigenen Beitrag bzw. ihren Stand bei den Kollegen. Genau diese strukturierte Retrospektive ist wichtig, um agiler zu moderieren und dabei die Selbstreflexion zu steigern. 

Nutzen und Ziele der Methode:

  • Durch die Metapher des Teamkontos erkennen die Teammitglieder die Gruppen-Dynamik des Ausgleichs. 
  • Das Team erarbeitet gemeinsam eine Definition und konkrete Beispiele zu positiven und negativen Beiträgen. 
  • Jeder Teilnehmer reflektiert anhand von Checklisten seinen eigenen Beitrag und dessen Auswirkungen. 
  • Durch den Selbst- und Fremdbildabgleich erhalten alle intensives Feedback zur Wahrnehmung der anderen Teammitglieder. 
  • Jeder erhält konkretes Feedback zu Möglichkeiten der Verbesserung seines Beitrags zum Team. 
  • Wünsche und Bedürfnisse der Teammitglieder werden sichtbar gemacht. 
  • Das Team lernt welche Verhaltensweisen und Fähigkeiten zählen, die sonst oft nicht thematisiert werden. Diese agile Moderationsmethode ist anschaulich und wirkungsvoll. Das Feedback wird konstruktiv und ausgeglichen gestaltet.

Warum wird es eingesetzt? 

Um einen gemeinsamen Erwartungsabgleich zu machen. Was versteht jeder unter Einzahlungen und Abhebungen und wie schätzt er sich selbst und die Kollegen im Team ein? Die Mitglieder eines Teams sind meist sehr unterschiedlich, doch jeder trägt auf seine Art dazu bei, dass ein Team funktioniert oder nicht. 

Wie läuft es ab? 

  • Der Moderator erläutert die Metapher des Teamkontos anhand eines Girokontoprozesses (Der Kunde muss erst einmal Einzahlungen erbringen und nachweisen, bevor er einen Dispo eingeräumt bekommt – Überziehungen kosten viele Zinsen etc.). 
  • Das Team sammelt per Zurufabfrage und Ergänzungen durch den Moderator Verhaltensweisen und Fähigkeiten, die als Einzahlungen und Abhebungen wahrgenommen werden. 
  • Anschließend teilt der Trainer das Team in 4er-Gruppen. 
  • Erst beschäftigt sich jeder Teilnehmer alleine mit seiner Selbsteinschätzung und 
  • notiert jeweils mindestens drei Einzahlungen und mindestens zwei Abhebungen. Dazu bekommt jeder TN fünf Minuten Zeit. 
  • Anschließend schätzt jeder die drei Kollegen und deren Kontobilanz ein und notiert dessen Einzahlungen und Abhebungen (mehr Einzahlungen!) jeweils pro Teamkollege. Zu den Abhebungen wird jeweils ein Wunsch formuliert (was wünscht sich derjenige stattdessen von dem Kollegen?). 
  • Dazu bekommt jeder TN 20 Minuten Zeit. 
  • Nun werden die Selbst- und Fremdbilder nacheinander ausgetauscht. Gestartet wird jeweils mit dem Selbstbild, das jeder Teilnehmer vorliest. Dabei werden die Selbsteinschätzungen nicht diskutiert. Die Kollegen dürfen aber Verständnisfragen stellen. Hier gilt: Diskutiert wird zunächst nicht. 
  • Jeder Teilnehmer sammelt seine Checklisten ein, also sein Selbstbild und die drei Fremdbilder. In Einzelarbeit notiert er dann sein Fazit, für das er die beiden Fragen beantwortet:
    Was werde ich ab sofort noch bewusster als Einzahlung auf das Konto leisten? Welche Abhebung werde ich wie in einen Wunsch umwandeln? 
  • Das Fazit jedes Teammitglieds wird im Plenum ausgetauscht. Auch hier gilt es, Diskussionen zu vermeiden und nur Verständnisfragen zuzulassen.

Beispiele von ⊕ Einzahlungen aufs Teamkonto

  • Ansprachen/Abschlüsse: Beiträge zur Zielerreichung 
  • Leistungsbeitrag
  • Geteiltes Wissen und Erfahrungen 
  • Einsatzbereitschaft
  • Zuverlässigkeit
  • Gute Stimmung 
  • Hilfsbereitschaft
  • Flexibilität
  • Eingebrachte Ideen 
  • Positives Denken 
  • Verantwortungsübernahme
  • Veränderungsbereitschaft
  • Komplimente / Anerkennung geben 
  • Positives Feedback geben / Lob 
  • Zuverlässiges Handeln
  • Präsenz (wenig Krankheitsausfälle) 
  • Übernahme von Verpflichtungen 

Beispiele von ⊖ Abhebungen vom Teamkonto 

  • Vereinbarungen nicht einhalten
  • Geringer Beitrag zur Zielerreichung
  • Ausfälle / viele Fehltage
  • Negatives und destruktives Denken
  • Unflexibel agieren
  • Anderen Vorwürfe machen
  • Kritisches Feedback
  • Verantwortung meiden
  • Missachtung / Respektlosigkeit
  • Ignoranz
  • Jammern / demotiviert sein 
  • Unaufmerksam gegenüber anderen
  • Geringe Beteiligung an gemeinsamen 
  • Verpflichtungen (Aufräumen etc.) 

Was sind typische Hürden und welche Tipps aus der Praxis helfen? 

Bei der Sammlung der Kontobewegungen ist es wichtig, die Begriffe zumindest mündlich näher zu definieren. Was versteht das Team oder jeder Einzelne unter Zuverlässigkeit oder Hilfsbereitschaft oder Respekt etc. An welchem Verhalten wird das festgemacht? Genauso verhält es sich bei den Feedbacks: regt die Teilnehmer an, ihre Rückmeldungen als beobachtbares Verhalten näher zu beschreiben. 

Wie funktioniert es in der Online-Variante? 

Ihr könnt die Methode ebenso gut online durchführen. Dazu sammelt ihr die Einzahlungen und Abhebungen im Team, indem jeder seine Notes dazu notiert und diese gemeinsam sortiert, besprecht und clustert.
Die 3–4er-Gruppen schickt ihr dann für die Selbst- und Fremdbilder in Breakout Sessions / Gruppenräume und lasst das Fazit jedes Teilnehmers wiederum zum Schluss im Plenum mitteilen. Um das Teamgefühl herzustellen, könnt ihr einen gemeinsamen Teamtisch visualisieren.

Claudia Thonet, Agile Consulting, Portrait

Claudia Thonet

Gründerin/Geschäftsführerin
Expertin für agile Transformation/agile Führung und Teams


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